Jo MEI

Das Abstimmungsergebnis vom Sonntag über die Masseneinwanderungsinitiative (MEI) erschreckt mich keineswegs, auch wenn es jetzt gegen Ende überraschend kam. Ich bin seit jeher Unterstützer und Sympathisant von Einwandererselektion (nach welchen Kriterien auch immer) und hätte in diesem Sinne mit der knappen Mehrheit hierzulande abgestimmt. Was das jetzt für Konsequenzen haben wird, werden wir ja noch sehen. Die dazu in der ausländischen Presse erscheinenden Artikel sind meiner Meinung nach bestenfalls unausgewogen geschrieben. Die massive Sympathiewelle für die Schweizer Abstimmung in den ausserordentlich zahlreichen Leserkommentaren vermittelt ein ganz anderes Bild: nämlich das, dass zum Beispiel sehr viele Deutsche genauso abgestimmt hätten, wenn sie denn jemals zu einem solchen Sachthema befragt worden wären. So heterogene Länder, wie sie in der EU-27/28 vereint sind, mit der Personenfreizügigkeit zusammenzubringen, muss unweigerlich den Effekt haben, dass die wirtschaftlichen Unterschiede durch Wanderungsbewegungen ausgeglichen werden.

Die Plakatkampagnen der Gegner der MEI waren wohl auch nicht ausreichend, um das Stimmvolk von ihrer Meinung zu überzeugen. Noch dazu kann die FDP kein Deutsch. Eigentlich müsste man jetzt überall Apfelbäume abhacken.

FDP-Plakat zur MEI
FDP-Plakat zur MEI
MEI-Gegner-Plakat
MEI-Gegner-Plakat

NZZ zur Europawahl

Der Artikel Die Vision eines anderen Europa (NZZ vom 27.01.2014, Autor: natürlich Ulrich Schmid) ist mal wieder sehr schön bildlich eingeleitet:

Was geschehen kann, wenn sich bieder-beflissener deutscher Mainstream mit kenntnisreicher, ruhig vorgetragener Europakritik auseinanderzusetzen hat, hat das deutsche Publikum dieser Tage am Fernsehen live miterleben dürfen. Da bellte ein intellektuell hoffnungslos überforderter Moderator die Linkspolitikerin Sahra Wagenknecht minutenlang an wie das Schosshündchen hinter dem sicheren Zaun den muskelbepackten Strassenköter und spielte das beliebte Spiel, das allein schon genügen sollte, den Fernseher für immer auszuschalten: Er fragte «kritisch», unterbrach dann aber die Gefragte sofort wieder und schleuderte ein Reizwort nach dem anderen in die Runde, ohne auch nur eine Sekunde Gelegenheit zu vertiefter Erörterung zu geben.

Es ging um die Einstellung der Linkspartei zu Europa, und es war ein bestechendes Exempel dafür, wie sehr die fast völlige Tabuisierung jeglicher Europakritik in Deutschland vernünftige Diskussionen verunmöglicht hat. Denn Wagenknecht formuliert als linke Linke zwar harte Kritik an den europäischen Institutionen, was die breite bürgerlich-sozialdemokratisch-grüne Front der Mitte natürlich plagt. Aber sie tut es kühl und rational. Sicher, letztlich ist ihr Weltbild das der braven Marxistin, getragen von einem naiven Glauben an das segensreiche Wirken des starken Staates und daran, dass selbst massive Umverteilung die Wirtschaftskraft eines Landes nicht auf Dauer schwäche. Aber mit ihrer Art trägt sie sehr viel mehr als die unzähligen öden Floskelproduzenten zur Debattenkultur bei.

Die Einleitung ist fast so gut wie Georg Schramm anno 2003 im Scheibenwischer (ab 01:30h).

Zur Europawahl bin ich ebenfalls schon per Briefwahl angemeldet. Was das wieder für ein Papierkram ist 🙂

RIP Tom Clancy

Och menno, ich hab einen Spruch von ihm hier am 05. Oktober erwähnt, als ich in Australien war, nicht wissend, dass er ein paar Tage zuvor verstorben war: Tom Clancy, einer meiner Lieblingsautoren. Grad letzte Woche hab ich noch von ihm zwei Bücher verschlungen (Threat Vector und Locked On) und das jetzt im Dezember posthum erschienene Command Authority liegt mir auch schon vor. Wenn ich es damals schon hätte lesen können, hätte ich 1984 mit Jagd auf Roter Oktober anfangen können, dem ersten von 15 Büchern des sogenannten Jack-Ryan-Universums, die chronologisch aufeinander aufbauen und auch teilweise verfilmt oder filmisch adaptiert wurden. Es gibt von ihm noch weitere Bücher, die ich aber bei weitem nicht so spannend finde wie diese Reihe, die mitten im Kalten Krieg anfängt und dann über die Nachwendezeit bis zu den Terrorbedrohungen der letzten zehn Jahre schreitet und gerade im vorletzten Buch, Threat Vector, auch noch den Cyberkrieg mit China einschliesst, zusätzlich zu den Gebietskonflikten im Chinesischen Meer. Wenn ich die aktuelle Nachrichtenlage in der Wirklichkeit mit dem Buch vergleiche, weiss ich manchmal nicht, ob die Chinesen und Amerikaner vielleicht das Buch als Drehbuch für die Wirklichkeit verwendet haben.

Auf den langen Busfahrten beim Bundeswehrorchester quer durch Deutschland hatte ich jedenfalls auch mindestens zwei dieser Bücher gelesen, wodurch dann die Zeit immer viel zu schnell vorbei ging. Die letzten Bücher der Reihe lohnen sich eigentlich erst richtig zu lesen, wenn man auch alles davor gelesen hat, sonst versteht man viele Anspielungen auf Vorangegangenes gar nicht. Vielleicht sollte ich doch noch mal mit Kurt Wallander von Henning Mankell anfangen, das sind inzwischen zwölf Bücher und der Autor lebt noch, wobei ich da den allerletzten Fall von Wallander mit dem traurigen, aber natürlichen und absehbaren Lebensende von Kurt schon gelesen habe.

Fahrstilabhängige Versicherungsprämie

Ein logischer und längst überfälliger Schritt bei den Kfz-Versicherungsprämien wird jetzt auch in Deutschland von der Sparkassen-Direktversicherung getan: fahrstilabhängige Versicherungsprämien. Das gab es 2006 schon länger in England, als ich bei BT im Praktikum war. Aufzeichnungsbox ins Fahrzeug gesteckt, Fahrtstrecken aufgezeichnet, Daten ausgewertet und nach dem so errechneten Score bemisst sich dann die Versicherungsprämie. Natürlich sind dann alle Zeiten und Strecken komplett aufgezeichnet und der Versicherer hat prinzipiell Zugriff auf alle diese Daten und kann sie für gute oder auch für schlechte Zwecke verwenden. Noch zwei Stichpunkte dazu:

  • Selbst wenn die Vertragsbedingungen anderes sagen, werden früher oder später andere Institutionen wachsendes Interesse am wachsenden Datenberg zeigen. Genau das ist aktuell schon bei den LKW-Mautdaten im Gange.
  • Wenn die Versicherten sehen, dass der finanzielle Anreiz gross genug ist, werden genügend Leute auf dieses Modell umsteigen.

Die viel interessantere Frage, die ich mir da stelle (als pragmatischer Gegner jedweden motorisierten PKW-Individualverkehrs): wenn man sowieso schon alle Daten aufzeichnet und früher oder später auch die Behörden etwas davon haben werden, könnte man doch gleich einen klaren Umstieg auf das Mobility-Pricing machen. Kfz-Steuer und Mineralölsteuer werden abgeschafft, jeder, der eine fahrende Dose besitzt, kriegt mit dem Kennzeichen eine On-Board-Unit und der Preis pro gefahrener Strecke setzt sich aus dem Streckenpreis und der Fahrzeugmasse zusammen. Wer mit einem grossen und schweren Auto viel fährt, zahlt viel. Wer mit einem leichten und kleinen Auto viel fährt, zahlt weniger. Wer mit einem leichten und kleinen Auto ganz wenig fährt, zahlt auch ganz wenig. Und wer Velo fährt, zahlt gar nichts. Autofahren hat jedenfalls schon lange nichts mehr mit Freiheit zu tun, sondern mit enormer Einschränkung. In diesem Sinne bin ich auch prinzipiell gegen eine Maut in Art einer Pauschal-Jahresvignette, begrüsse aber trotzdem die mögliche Preiserhöhung der Schweizer Autobahnvignette von 40 auf 100 Franken (darüber wird demnächst das Stimmvolk entscheiden), weil Autofahren generell viel zu billig ist. Technisch ist jedenfalls die Vollerfassung jeder Fahrt problemlos möglich, Toll-Collect hat das ja, wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten, inzwischen sehr gut im Griff.

Auch Pedelecs (“Elektro-Velos”) sind nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss, wiewohl ich durchaus schon eins hätte, wenn meine tägliche Pendelstrecke mehr als zehn Kilometer pro Richtung betragen würde. Mehr dazu gibt’s z.B. in der Fahrradzukunft.

Tatort Merkel

Da die Nichtwähler zur heutigen BuTaWa wohl die stärkste Fraktion stellen dürften, dürfte es wohl auch eine Mehrheit stören, dass wegen der Wahl kein Tatort kommt. Die NZZ berichtete am Freitag, was auch gleichzeitig die letzte Papierausgabe der NZZ darstellt, mein Abo ist inzwischen storniert und kommt dann neu bestellt nach Wil. Das Webpaper der NZZ mit denselben Inhalten wie die gedruckte Zeitung ist zwar sehr gut, aber das Leseerlebnis ist ein anderes und gefällt mir auf Papier besser. Ausserdem hätte ich jetzt ein echtes Problem beim Kistenpacken, denn mit dem Tablet kann man so schlecht Glas, Lampen und andere Dinge polstern. Und so oft, wie ich schon beim Frühstück Konfi und Kaffee auf die Zeitung gekleckert habe, hätte ich durchaus schon mehrere digitale Tablette geschrottet.

Nix Tatort am Sonntag.
Nix Tatort am Sonntag.

Nachtrag um 18:30: jetzt ist der Artikel auch online (möglicherweise hinter der Bezahlwand, auf neudeutsch paywall genannt).

Der Postillon-Newsticker

Der Newsticker vom Postillon ist einfach nur zu gut. Am Anfang muss man lernen, die Doppeldeutigkeit zu erkennen, aber dann ist es einfach jedesmal lustig, wenn der Groschen/Rappen fällt.

++++ Taktlos: Rockband spielt auf Beerdigung von Drummer ++++
++++ War zu unkonzentriert: Getränkeproduzent stellt faden Orangensaft her
++++ Wegen mangelnder Hyäne: Verdreckter Zookäfig weiterhin unbesetzt
++++ Frau hat ihm zugesagt: Mann freut sich auf zweites Date ++++
++++ Hält nichts davon: Torwart boykottiert Elfmeterschießen ++++
++++ Braucht keine Sau: Zölibatärer Zuchteber ++++
++++ Springer auf A7: Schachprofi will sich nach spielentscheidendem Fehlzug von Autobahnbrücke stürzen ++++

Der Wahlomat ist draussen

Unter http://www.wahl-o-mat.de gibt’s die Entscheidungshilfe für die Bundestagswahl 2013. Auf der Basis von 38 Fragen, die man beantworten muss (ja/neutral/nein), vergleicht das Programm mit den Antworten der jeweils ausgewählten maximal acht Parteien auf dieselben Fragen und errechnet dann eine Übereinstimmung. Da ich meine Briefwahlunterlagen sowieso schon abgeschickt habe, kann es mich nicht mehr beeinflussen. Aber schön, zu sehen, dass ich da meine Kreuzchen gefühlsmässig ganz gut gesetzt habe.

Was ich allerdings an dem Teil ganz und gar nicht gut finde, ist, dass man acht Parteien auswählen muss, mit denen man seine eigene Position vergleichen möchte. Warum nicht standardmässig alle? Wär doch viel einfacher.

Wahlomat-Ergebnis
Wahlomat-Ergebnis

Das sind die acht “grossen” oder etablierten Parteien in der täglichen Diskussion. Gleich nach der AfD kommt bei mir übrigens die “Partei der Nichtwähler”.

AufgeBAHRt: KV-Vorschläge und Ostpolitik

Laut FAZ hat Daniel Bahr die Idee, die deutsche private Krankenversicherung (PKV) für alle zu öffnen, d.h. jeder soll sich nach Wahl privat oder gesetzlich versichern können. Möglicherweise hat ihm da ein Blick über die Grenze nach Süden geholfen. Hierzulande existiert eine Versicherungspflicht für die Grundversicherung, die im Leistungsumfang etwa der gesetzlichen KV in Deutschland entspricht. Ich habe einen Selbstbehalt, über dessen Höhe ich die Beiträge massgeblich beeinflussen kann: je höher der Selbstbehalt, desto geringer die monatlichen Prämien. Ein Mindest-Selbstbehalt von 300 CHF bleibt immer. Bei welcher Versicherung ich die Grundversicherung abschliesse, bleibt mir überlassen. Darüberhinaus kann ich dann Dinge wie freie Arzt- und Spitalwahl zusätzlich versichern und dafür auch eine zusätzliche Prämie zahlen. Ausserdem bekomme ich immer eine Rechnung und weiss somit, was mich die Behandlungen gekostet haben. Die Prämien sind nicht altersabhängig (wenn man in der Gruppe Ü25 einmal ist, ändert sich nichts mehr). Ich zahle also so etwas ähnliches wie eine Kopfpauschale, woraus sich ergibt, dass die in D gegebene beitragsfreie Mitversicherung von Familienangehörigen auch nicht existiert. Bei den verhältnismässig niedrigen Beiträgen hierzulande ist das allerdings kein Problem und Prämienverbilligungen gibt es ebenfalls. So einfach könnte es auch in Deutschland sein, wenn man da nicht das seltsame (vermutlich historisch gewachsene) Mischsystem mit den “guten Risiken” für die PKV und den “schlechten Risiken” für die GKV hätte.

Da, noch ein Nachtrag einen Halbtag später: Acht Fragen zur PKV (faz.net). Sorry, die Schweiz war schneller, hier sind ziemlich viele der Vorschläge schon lange konsequent umgesetzt, inklusive Kopfpauschale und steuerfinanzierten Ergänzungen, die in Deutschland auch mal in der Diskussion waren.

Der andere Bahr, genannt Egon, ist viel bekannter und wieder hat die NZZ mit ihren Standpunkten da ein gutes Interview geführt: http://www.youtube.com/watch?v=ecI5Tvf76Dc. Der Original-Link zur SRF-Webseite ist auch noch da: SRF.ch, NZZ Standpunkte vom 24.08.2013.

Dreiste Nachbarn

Dreiste Nachbarn, ein sehr schön mehrdeutiger und tiefsinniger Artikel in der Rubrik Zwischenrufe von Philipp Meier in der heutigen NZZ. Ich weiss gar nicht, wie ich überhaupt auf die Idee gekommen war, weiterzulesen, nachdem im ersten Absatz was von Kunstsammlung und Galeristen stand. In der digitalen Version habe ich den Artikel tatsächlich überblättert (wenn man das denn so nennen kann), in der Papierversion dann doch noch gelesen. Überhaupt nehme ich die NZZ in der digitalen Version ganz anders wahr als in der Papierversion. Bei letzterer bin ich konzentrierter dabei. Möglicherweise liegt es am Lesegerät (Tablet vs. Papier).

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