Tag -18: Routingprogramme und Datensammler

Kein Wunder, dass brouter so gut fürs Fahrradrouting funktioniert: der Erfinder Arndt Brenschede hat sich da wirklich viele Gedanken gemacht, wie man in dem folgenden Vortrag sieht: Höhenbewusstes Routing mit Radardaten (FOSSGIS 2014). Ausserdem erklärt das auch die Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Angaben für die Höhenmeter einer Strecke. Für das ÖV-Routing hat er neuerdings auch sehr gute Ideen eingebaut: Transit-Routing und OSM (FOSSGIS 2016). Und natürlich hat das auch viel mit autonomen Fahrzeugen zu tun, die haben ja auch angepasstes Routing speziell für sie.
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Tag -21: Berkeley

Meine dienstlichen Termine für diese Woche waren alle beendet, nächste Woche geht’s weiter mit Brunch in San Francisco am Montagmorgen. Also eine 100km-Nachdenkrunde, was sonst. Gestern auf der Abendrunde wurde ich bei der Ausfahrt aus dem Facebook-Campus von einer Wachperson mit good night verabschiedet. Der Facebook-Neubau, der sich am Ufer entlangzieht, ist im Erdgeschoss komplett eine Parkgarage, vermutlich kann man mit dem Auto direkt an seinen oben drüber befindlichen Arbeitsplatz fahren, insofern man einen fixen Platz hat.

Nach Berkeley wollte ich sowieso noch, hatte mir aber noch keine Strecke zurechtgeschnitzt, ausserdem nicht beide Richtungen. Da die Brücken über die Bay nicht alle für mich (erlaubt) befahrbar sind, war die Routenoption über die Dumbarton Bridge und dann den Bay Trail entlang nach Norden. Abfahrt war 09:35 Uhr, die Sonne sollte sich noch bis am Mittag Zeit lassen, sich durch die Wolken zu fräsen.

Die Gegensätze hier sind schon enorm gross, einerseits extrem gestaltete und gepflegte reiche Quartiere, gleich eine Meile weiter heruntergekommene dreckige Gegenden mit Bettlern und Obdachlosen, dann wieder Industriegebiete, später Villen mit Bayzugang und dann die üblichen Downtown-Shopping-Strips, ergänzt mit riesigen Malls.

Die Freiverkabelung hier ist sensationell flächendeckend. Sowas gibt’s daheim nur an Bahnhöfen auf den Gleisfeldern, z.B. hier in Chur.

Freie Verdrahtung.

Man müsste einen Geruchssensor mit hoher zeitlicher Auflösung erfinden, der auf den Geruch von gerauchtem Gras anspricht, dann könnte man gut die Grasrauchquote an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten auf einer Karte darstellen. Sowas könnte doch eigentlich in die Ford-Mietvelos eingebaut werden:

Ford-Mietvelos, Oakland.

Die Steigungen und Gefälle von Oakland bis nach Berkeley waren enorm. Von +10% bis -15% war alles dabei, aber meist nur kurzzeitig. In Berkeley bin ich auf dem Campus etwas herumgefahren, Studenten waren auch zahlreich vorhanden. Mein Ticket für den 14.09. hab ich auch abgeholt, es spricht der Konservative Ben Shapiro. Wenn man schon mal hier ist, kann man sich ja am symbolträchtigen Ort für Free Speech mal mit Politik beschäftigen. Da Metallica öfter mal in Berkeley ihre Songs geschrieben haben (Ulrich/Hetfield), erklärt sich vielleicht auch das 1982 erschienene Lied Free Speech for the Dumb mit dieser Vorgeschichte. Im Januar 2013 war ich ja auch in Wattwil bei der SVP zwecks Meinungsbildung über kontroverse Personen aus erster Hand.

Da ich auf dem Campus nichts weiter geplant hatte, bin ich Richtung Fährterminal Oakland gerollt am Jack London Square. Laut Plan sollte die Fähre 17:05 fahren. Als ich um kurz nach vier dort so unschlüssig herumstand, legte eine Fähre an. Kurz danach folgte ein boarding call “San Francisco Ferry Terminal, final call”. Nanu, mein Ziel, aber nicht auf dem Plan? Meine Nachfrage wurde positiv beschieden, also bin ich spontan an Bord gegangen. Und: ich war der Einzige! Es gab 42 Velostellplätze. Der Ticketkauf ging an Bord und mir wurde gesagt, dass das eine nicht geplante Fahrt sei, weil sie irgendwas ergänzen mussten. Egal, ich fand’s sehr gut so 😀

Nach vielen Fährfotos bin ich in SF gemütlich direkt zum Zug gefahren, hab den Schnellzug erwischt und war nach 40 Minuten wieder in Palo Alto. Der Zug war diesmal aber deutlich voller. Nur: wenn das ein Pendlerzug ist (17:16 Abfahrt), ist er überdimensioniert. Die Masse an Leuten in den sechs Doppelstockwagen hätte in Zürich locker in einer RE450-Garnitur der S-Bahn Platz gehabt. Nur daheim halt ohne Veloselbstverlad.

Stats: 100km, 350 Höhenmeter, einmal McD, einmal Starbucks, dort wieder inkognito:

Ich war wieder inkognito unterwegs.

Aufgefallenes Schild 1:

Interessante Schilder für den Fall der Fälle.

Aufgefallenes (Kontroll)Schild 2 (Informatik-Insider):

Eins der besten Kontrollschilder für einen Informatiker.

Tag -22: Stanford Engineering Lecture

Der Tageszähler geht jetzt rückwärts. Zufällig hatte ich beim Durchfahren des Stanford-Campus einen Hinweis auf Mehran Sahamis Vorlesung “Don’t trust your gut” gesehen, die ich mir dann gestern im NVIDIA-Auditorium auch angeschaut habe. Das Video davon ist hier auf Facebook zu finden. Es war sehr unterhaltsam, er hat erst (für mich) eine sehr gute Auffrischung von Wahrscheinlichkeitstheorie gegeben, inklusive Bayes’schem Satz. Zwischendurch hat er nebenbei noch das Geschäftsmodell von Versicherungen erklärt. Seine vielen eingebauten Wettspiele mit Dollareinsatz waren dazu sehr anschaulich. Sowas könnte man als Einführungsveranstaltung für Wahrscheinlichkeitstheorie nehmen und sich hinterher an den Details der Vorlesung ein ganzes Semester lang austoben.

Nachts ist der Stanford-Campus auch sehr schön, fast keine Leute, Vollmond und T-Shirt-Temperaturen so gegen 22 Uhr.

Stanford und Ottermobil in der Nacht.

Stanford im Vollmond.

Zu dem, was ich neulich zu Waymo und dem Shadow Driving geschrieben habe, gibt’s auch noch eine kürzere anschauliche Fassung: Simulation: how one flashing yellow light turns into thousands of hours of experience.

Tag 20: Start ins verlängerte Wochenende

Bei der gestrigen Heimfahrt bei 43°C war das Gute, dass sonst kaum jemand draussen war. Das lange Oberteil hab ich vorher in Wasser getränkt und angezogen, nach 3km war es trocken, also hab ich noch eine Trinkflasche Kühlwasser draufgeschüttet. Kühlt exzellent, braucht halt recht viel Wasser.
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Tag 19: 43 Grad

Gestern hatte ich was zu Uber Movement geschrieben, heut hab ich nochmal drüber nachgedacht: um diese Darstellungen der Daten auf Karten zu machen, brauchen sie nur einen Bruchteil ihrer Fahrtdaten: Startkoordinaten, Start-Datetime, Endkoordinaten, End-Datetime. Dazu kommen externe Daten wie Landkarten und Zonengrenzen und dann kann man das alles schnell sogar in Echtzeit berechnen und darstellen. Ich hoffe, sie haben noch ganz kurze und ganz lange Fahrten (zeitlich) und solche, die bei Punkten in der Nähe von Zonengrenzen liegen, rausgefiltert. Die Passagiere interessiert ja nicht, wie jemand (später) irgendwelche administrativen Zonen einteilt, die wollen einfach nur von A nach B kommen.
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Tag 17: der Ethikkram mal wieder

Es gibt ja immer wieder diese völlig hypothetische Fragestellung, für welche von zwei Personen sich das autonome Fahrzeug in einer Konfliktsituation entscheidet, wenn es unvermeidlich ist, eine von beiden zu töten. Dazu ist in der NZZ grad ein sehr guter Kommentar: Autonome Fahrzeuge brauchen keine Ethik-Software. Die wichtigsten zwei Sätze:

Denn der gegenwärtig grösste Risikofaktor im Verkehr ist der Mensch. Schon deshalb sollten wir uns nicht fragen, wessen Leben wir zu opfern bereit wären, sondern wie viele Leben noch durch Menschen am Steuer frühzeitig beendet werden sollen.

Zum Gegensatz zwischen Schweizer Innovation und kalifornischer Innovation eignet sich auch gut dieser NZZ-Artikel: Wenn der Roboter den Prosecco bringt und vor allem die Reaktion der Fussgänger-Lobby.

Sofia University, hat aber mit einer Universität eher nichts zu tun.

Auf Empfehlung war ich am Abend noch bei Storytelling for Entrepreneurs. Daniel Kimble hat uns zwei Stunden lang unterhalten und gute Ideen und Strukturen für gute Stories geliefert. Das kann man nicht nur als Startup-Gründer oder Entrepreneur brauchen, sondern auch sonst. Eingeleitet hat er mit dem Video zu einer Telefonkonferenz, wie sie im echten Leben aussehen würde und später hat er zwei Szenen aus Club der toten Dichter verwendet. War insgesamt ganz interessant, wobei ich grad keine Story parat hatte für zwei-drei Minuten, das ist nämlich echt Arbeit.

Ich hätte höchstens die verwenden können aus dem Supermarkt mit der Milchflasche:

2-Liter-Pfandflasche.

Erstens ist das gute Milch. Zweitens ist das eine Pfandflasche mit $2 Depot. Drittens wiegt die leere Flasche etwa 1kg. Und als ich die im Supermarkt an der Kasse (also erst mit reinschleppen…) aufs Band gestellt hatte, hat mich die Kundin nach mir in der Schlange gefragt, wie ich die so sauber bekommen hätte. Ich hab ihr dann einen Vortrag über Schweizer Milchflaschenreinigungskurse gehalten einfach nur hot water gesagt und don’t let it dry in first.

Tag 16: Bay-Streifzug

Heute morgen war die Velostrecke doch etwas länger als gewohnt, aber die Sonne kam auch erst 10:30 Uhr raus, so dass das ideal zum Fahren war.

Bevor’s wieder über den Stanford-Campus ging, hab ich noch eine Ehrenrunde beim HP-Hauptsitz gedreht, anstatt >2min an der Ampel zu warten.

HP-Hauptsitz.

Der Bayshore Freeway trennt Stadtteile genauso wie ein Fluss und ist beim Velo-Routing auch genauso zu berücksichtigen. Es gibt halt nicht besonders viele (angenehme) Überquerungsmöglichkeiten. Gleich hinter der Fussgängerbrücke kam eine kilometerlange Baustelle direkt am Ufer — erst später ging mir auf, dass das alles für Facebook ist. Na vielleicht wird ihr Campus ja doch noch schön. Aber ich find’s nicht besonders effizient, einen Campus entlang einer Uferlinie anzulegen. Die Ringform wie bei Apple ist von den Wegen her sicher praktischer.

Die Erweiterungsbauten für den Facebook-Campus.

Die Kehrseite der stark steigenden Immobilien- und Mietpreise sind normale Leute, die sich ihre Unterkunft nicht mehr leisten können und dann auf Wohnwagen ausweichen müssen.

Wohnwagen in einer Sackgasse als Unterkünfte für Leute, die sich ihre Mieten nicht mehr leisten können.

Kurz danach war ich einer der etwas heruntergekommenen Siedlungen, als mich ein Schwarzer fragte, ob ich ihm bestätigen könne, dass seine Freundin nicht auf dem Liegevelo fahren könne. Das konnte ich problemlos, weil sie nämlich nicht zwischen den Untenlenker gepasst hätte 🙂

Die Statistik vom Forumslader sagt auch einiges aus:

1000km in 60:30h, macht 16,5km/h Schnitt.
348Wh in 60:30h macht 5,75W elektrische Dauerleistung.
4145 Höhenmeter auf 1000km macht 0.4% Durchschnittssteigung und ist eine ziemlich sinnlose Aussage.

Zu den zwei Unternehmen root und metromile hab ich auch noch aktuelle News gefunden, die eigentlich genau das typische Geschäftsmodell hier darlegen: Wachstum um jeden Preis, egal ob man profitabel ist oder nicht, natürlich mit Fremdkapital. Irgendwann hat man dann einen genügend grossen Marktanteil, ist unverzichtbar und kann sein Monopol ausüben. Das ist auch einer der grossen Unterschiede zur Schweiz: dort wird erst nachgedacht und dann, wenn überhaupt, vorsichtig was gemacht; hier wird erstmal gemacht und dann nachgedacht. Das hat beides Vor- und Nachteile.

Tag 14: Computer History Museum

Vor einer kleinen 30km-Feierabendrunde an Tag 13, bei der ich gesehen habe, dass das Stanford-Solarteam immer noch packt, war ansonsten pausieren angesagt und Sonnenvermeidung. Ich bin zwar bisher sonnenbrandfrei durchgekommen, aber die Strahlung um die Mittagszeit ist schon ordentlich.

Heute kam das Computer History Museum an die Reihe, wobei ich auf dem (Um)Weg dorthin mal wieder schöne Velorouten gefunden habe. Bei Eintrittspreisen wird scheint’s keine Sales Tax aufgeschlagen wie sonst in den Läden.

Das Computer History Museum.

Die Computer History fing bei uralten, aber schon ziemlich ausgefeilten Rechenmaschinen der alten Griechen an, irgendwann ging’s in die Neuzeit über, Treiber war häufig das Militär, IBM hat dann auch konsequent immer an beide Seiten Rechenmaschinen verkauft. Das sieht man gut am Aufkleber hier:

Jetzt müsste man Operateur sein.

Zum Gründergeist und der Wertschätzung des einzelnen Mitarbeitenden steht hier zwar, dass das heutige Silicon-Valley-Startups übernehmen, aber bei den Grosskonzernen mit ihren vielen Managementebenen und brutalem Konkurrenzdenken sieht das dann doch anders aus.

HP-Spirit

Kurz danach folgte das beste Exponat der ganzen Ausstellung, und ich war nicht drauf vorbereitet. Das Winnebiko II, ein windgeschützter Langlieger mit 180kg Gesamtmasse (inkl. Fahrer) und Solar-Batterie-Anhänger, Reisegeschwindigkeit 24-27km/h.

Ich hab erst das Schild gesehen und dann…
…das riesige Exponat!

CB-Funk ist drin, jede Menge Stromversorgungen, ein ausgefeiltes System, um beim Fahren tippen zu können, natürlich alles an Campingzeugs, was man so braucht. Ich vermute, ich hab im Smartphone und sogar im Forumslader heutzutage mehr Rechenleistung auf viel kleinerem Raum und mit viel weniger Stromverbrauch.

Sehr gute Idee, das so zu machen.

Zu autonomen Fahrzeugen gab’s eine Sonderausstellung, die aber eigentlich nur aus dem inzwischen ausgemusterten Waymo-Firefly-Auto besteht. Würd mich trotzdem interessieren, wie so ein Vehikel mit im Kreis fahrenden Massen von Velofahrern klarkommt. Wenn’s einfach stehenbleibt, auch gut.

Ein Waymo-Glühwürmchen, inzwischen nicht mehr unterwegs.

Das Café im Computer History Museum kam mir sehr gelegen. Allerdings kam es jetzt schon zum wiederholten Mal vor, dass meine Kreditkarte kontaktlos gelesen wurde und ich dann noch einen ausgedruckten Beleg unterschreiben musste. Wie doof ist das denn? Kontaktloses Bezahlen wurde doch genau dafür erfunden, dass man Kleinbeträge ohne PIN und Unterschrift bezahlt und damit die Zeit für den Bezahlvorgang deutlich verkürzt. Aber wenn ich mir anschaue, mit welcher Seelenruhe die Kassierer im Safeway alles scannen, dann derselbe Kassierer noch dem Kunden alles in Tüten verpackt und dann erst bezahlt wird, ist das auch nicht besonders pronto.

Zum Einzelhandelsthema gab’s ja diese Woche auch was Interessantes, nämlich dass Amazon Whole Foods übernommen hat. Letzteres ist so eine Art Bio-Alnatura-Premium-Laden (mit sehr guten Banane-Nuss-Muffins). Erstmal will Amazon jetzt die Preise dort massiv senken, weil sich hier ein Konkurrenzkampf mit Google/Walmart ergibt. Es gibt auch schon Befürchtungen, dass es dann Surge Pricing gibt, dass also z.B. Fertigessen über die Mittagszeit teurer werden oder Bier am Freitagabend — das ist ja ganz einfach abzuleiten, wann am meisten gekauft wird und das ist noch nicht mal personalisiert. Darüber regen sich die Leute auf, aber dass sie ansonsten ihr gesamtes Einkaufsverhalten preisgeben, interessiert vermutlich keinen.

Dass man Muffins warm mit Butter serviert, hat hier auch noch keiner gehört. Banausen 🙂

Nach dem Museum führte mich der Rückweg nördlich an die Bay, dann dem Bayshore Trail entlang und irgendwann in einem grossen Bogen wieder heim.

Rückweg auf dem Bay Trail (hinten die Dumbarton Bridge).