Staatskundekurs Teil 5/6

Wil Bahnhof, Unterführung West

Es ist schon echt anstrengend, jede Woche genau einen fixen Termin zu haben, zu dem man tatsächlich mal aus dem Haus muss. Aber es ist ja bald vorbei, heute war Lektion 5 von 6 dran. Offenbar kann man sich nicht mal für eine Lektion krankmelden, sondern muss dann die verpasste Lektion in einem anderen Kurs bzw. zu einem anderen Zeitpunkt nachholen. Am Dienstag kam ein Mail rum, dass für den Staatskundekurs jetzt Zertifikatspflicht gilt, man braucht also vorher das Covid-Zertifikat (leider auch per Test möglich), damit man hinterher das Kurszertifikat bekommt.

Es ging wieder mit einer Repetition los. Bei 3. musste ich wirklich überlegen, was gemeint war, im Prinzip alles, was mit dem Suffix “rat” aufhört und nicht mit “Bundes” oder “Ständer”* anfängt. Nationalrat, Kantonsrat, Gemeinderat, Stadtrat. Wieso duzen die mich überhaupt in dem Arbeitsheft?

Bei den Aufgaben des Kantons reicht es eigentlich, wenn man die Ämter weiss, die dazugehören, da sind die Aufgaben dann selbsterklärend. Gesundheitsamt, Schulamt, Strassenverkehrsamt, Steueramt. Und Kantonspolizei.

Der Kursleiter schweifte wieder ab und hat offensichtlich auch Steuersatz und Steuerfuss nicht verstanden. Drum muss er sich die Steueroptimierung mit Teilauszahlung der 2. Säule auch von einem Profi (nicht von mir) erklären lassen.

Bei “Was ist eine Initiative?” hab ich spasseshalber mal gefragt, ob die Anforderungen für ein fakultatives Referendum genauso hoch seien wie für eine Initiative. Antwort: ein klares weiss nicht, immerhin zugegeben, aber schade für einen Lehrer in so einem Kurs. Für die Initiative braucht es 100k Unterschriften, für ein fakultatives Referendum “nur” 50k (oder acht Kantone), natürlich beides auf Bundesebene verglichen — in Kantonen/Gemeinden sind es andere Zahlen. Ich wusste es aber da auch noch nicht und werd’s wohl auch wieder vergessen.

Im Ankreuzbogen rechts waren die Antworten nicht immer sehr klar anzukreuzen. Schon allein das mit der Gemeindefeuerwehr in der letzten Zeile: ich zahle mit der Steuerrechnung explizit eine Feuerwehrabgabe, die ich vermeiden könnte, wenn ich mich in der Gemeindefeuerwehr engagierte. In diesem Sinne werde ich dann doch dafür bezahlt.

Danach sind wir die drei herkömmlichen Sektoren kurz durchgegangen (Landwirtschaft, Industrie, Dienstleistung), und jeder im Kurs durfte mal sagen, in welchem Bereich er arbeitet. Wir hatten 5 Teilnehmer für Industrie und 8 für Dienstleistung, wobei die Abgrenzung auch nicht immer ganz klar ist. Viel mehr in die Tiefe sind wir aber nicht gegangen. Es folgte das Bildungssystem, aber in einer sehr stark vereinfachten Version. Die Vollversion der Grafik gibt’s unten, aus dem wunderschönen Graphisch-statistischen Atlas der Schweiz vom BfS (für Leute wie mich ist das wie ein Asterix-Comic, den man immer wieder neu lesen kann und immer noch was Neues findet). Die Maturaquote ist nicht hoch und das ist gut so. Dafür ist das System in alle Richtungen sehr durchlässig und offen.

Weiterhin kamen wir auf eine beispielhafte Lohnabrechnung und dann, viel wichtiger, ein Budget, also hier die Verteilung aller (unterschiedlich häufig anfallenden) Ausgaben auf einen Monat. Wir sollten uns die Zahlen anschauen und dann überlegen, was stimmt oder was zu hoch bzw. zu tief sein könnte. Dass man aber von 5500 Fr. brutto (steht links daneben, abgeschnitten) als Familie mit einem Kind nicht besonders gut leben kann, war eh klar. Wohnungsmiete zu günstig angenommen (und mit Tippfehler), Steuern passen, Krankenkasse plausibel bei tiefer Franchise, Fahrtkosten ÖV, hm. Die Miete geht eigentlich nur auf, wenn man irgendwo auf dem Land wohnt, dann dürfte aber der ÖV teurer kommen. Ein Auto soll diese Familie nicht haben. Aber was die so für Bekleidung ausgeben? Wow. “Unvorhergesehenes” reicht grad so, um alle zwei Jahre ein neues Velo in den Fuhrpark aufzunehmen.

Der Moment, in dem der Kursleiter bei mir komplett untendurch war, war, als er meinte “die wollen immer, dass wir mit dem ÖV fahren und dann zahle ich 20 Franken bis Zürich — mit dem Auto bin ich da viel billiger”. So einer war mal Kantonsrat und kann nichtmal Vollkosten und Grenzkosten auseinanderhalten. Und das direkt nachdem wir oben ein sehr sinnvolles Budget mit allen Kosten aufgestellt haben. Aber da ja inzwischen eh schon alle wussten, dass ich das GA hab und kein Auto, war der Kurs jetzt klar gespalten und ich wieder da, wo ich sonst auch immer bin: bei der Minderheit 🙂 Aber witzig: man muss mir die Enttäuschung und den Widerspruch auch hinter der FFP2-Maske klar angesehen haben. Böser Blick funktioniert super.

In der Pause hab ich den Beamer mal ordentlich justiert, danach kam ein Vortrag zu Wissenschaftlern und Nobelpreisträgern. Komische Balkengrafik-Statistiken, wenn man Nobelpreisträger pro Land zählt, wo doch die meisten von denen eh mehrere Staatsbürgerschaften haben. Ich hab mich auf Passivität beschränkt und hab mich auch nicht mehr sonderlich aufgeregt, als etwas von Carl Splitter als Nobelpreisträger geschrieben stand. Der heisst https://de.wikipedia.org/wiki/Carl_Spitteler und ich hab den Olympischen Frühling schon lange im Bücherregal stehen, aber es ist irgendwie nicht angenehm zu lesen und recht umfangreich.

Ein netter und tatsächlich stimmiger Hinweis: “Wenn Sie Schweizer kennenlernen wollen, gehen Sie in einen Verein.” Ja, richtig, nur wenn da im Kurs Leute sitzen, die sich einbürgern lassen wollen, sind die alle schon mindestens zehn Jahre da, da kommt der Hinweis etwas spät. Das wäre eher ein Hinweis, den man direkt nach der Zuwanderung in einem Kurs geben sollte.

Weil die anderen Leute so schlau waren, sich nicht beizeiten für ihren eigenen Vortrag anzumelden, haben wir nächste Woche in der letzten Lektion also fünf Vorträge, damit ist der Kurs schon halb fertig, wenn wir gegen Ende noch in die Altstadt gehen wollen. Immerhin hab ich dann das Fahrzeug am Mann.

*eine Feder im Pletscher-Ständer war wohl gebrochen, das hab ich daheim gemerkt — natürlich hat man exakt so einen Ständer mit KSA18-Aufnahme am Lager und muss den nur noch schnell mit der Flex kürzen. Könnte missverständlich ausgesehen haben, als ich mit Velohose, blauen Einweghandschuhen, einem Stück Pizza in der einen und der Flex in der anderen Hand aus dem Keller kam. Eine Tiles-Tour für max-square=15 von Frauenfeld nach Weinfelden folgte. Und meine Briefkastenklappe schickt mir jetzt via zigbee und nodeRed ein Email, wenn was eingeworfen wird, sehr cool 😀

Waffenplatz Frauenfeld.

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