Bei meinem Kalifornienaufenthalt soll es ja um point-to-point public transport gehen, was derzeit am nächsten mit den beiden Anbietern Uber Pool und Lyft Line erreicht werden kann. Die zugrundeliegende Idee ist uralt und eigentlich naheliegend: es werden Fahrten verbunden bzw. zusammengelegt, die ungefähr um die gleiche Zeit in die gleiche Richtung gehen. Ein Autofahrer (Uber-Fahrer, Lyft-Fahrer) holt einen Fahrgast ab, nimmt noch weitere auf der Strecke dazu und liefert die alle punktgenau irgendwo ab. Innovativ ist daran nur, dass das Matchmaking (wer mit wem auf welcher Strecke fährt) im Hintergrund durch einen Algorithmus passiert und es keine fixen Strecken gibt. Wenn sie jetzt noch drauf kommen, fixe Strecken vorzugeben und am besten fixe Stationen zum Zu- und Aussteigen, dann könnte man gleich Busse nehmen in hoher Frequenz. Oder, hm, zum Rollwiderstand verringern noch Gleise verlegen? Wäre das was? Gibt’s das schon? Ach nee, das ist ja dann Massentransport 🙂
Doch obwohl die beiden Services noch nicht ein echter Massentransport sind, gibt es schon sehr ähnliche Probleme, wenn man sich Insiderberichte anschaut und anhört: Why Everyone Hates UberPOOL and Lyft Line.
The problem with that future is that both riders and drivers can’t stand UberPOOL. Drivers say it’s not worth the hassle to pick up two separate riders for a fare that’s usually much less than two entirely separate UberX rides. Riders have to make mental calculation about the money they could potentially save and weigh it against the likelihood of getting matched with someone else and the uncertainty that getting matched gives you.
Die Fahrer haben keine Lust, weniger zu verdienen, als sie sonst verdienen könnten. Das Problem ist also ökonomischer Art. Wenn die Fahrer überproportional mehr verdienen würden, wenn sie mehr Leute mitnähmen (also z.B. bei zwei Leuten das 2.5-Fache von dem, was sie bei einer Person verdienen), dann wäre jeder Fahrer sofort drauf aus, sein Auto so voll wie möglich zu stopfen. Einseitig betrachtet, liesse sich das also beheben.
As a rider, the optimal UberPOOL experience is one in which you are matched with no one else. If this happens, you get a car to yourself, meaning you get private car service that is usually cheaper than a normal ride.
Die Passagiere wiederum wollen natürlich möglichst günstig und möglichst allein fahren, ganz klassisch, genauso wie wenn ich Zug, Bus oder sonst was für ein öffentliches Verkehrsmittel benutze. Das Motto günstig und allein ist ja schon ein Zielkonflikt in sich selbst. Aber wenn man, wie oben vorgeschlagen, die Fahrer noch durch Anreize motivieren würde, das Auto zu füllen, müssten ja die Mitfahrer eigentlich noch mehr zahlen, wenn mehr Leute auf einer Fahrt mitfahren.
Typischerweise sollte man sowas durch Quersubventionierung lösen, indem solche Leute, die 1. Klasse bzw. allein fahren, einen massiv höheren Preis zahlen, mit dem dann z.B. entsprechende Ausschüttungen an volle-Autos-Fahrende getätigt würden. Ein bisschen sowas scheint ja auch zu laufen:
If you take an unmatched UberPOOL, the driver is supposed to be reimbursed by Uber for the difference between that fare and the UberX one. But that doesn’t always work in practice; Uber forums are filled with drivers complaining about not getting full UberX fare for unmatched rides.
Die Fahrer können ja nichts dafür, dass jemand POOL fahren will und sich kein zweiter dazu findet. Der Transportbedarf besteht trotzdem und die Fahrer sollen von Uber dann mit der Differenz zum UberX (dem Allein-Fahr-Taxi) dafür entschädigt werden, dass kein anderer Mitfahrer gefunden werden konnte. Da muss also intern bei Uber eine weitere Quersubventionierung laufen, die von den profitablen Strecken/Fahrern zu den unprofitablen Strecken/Fahrern umverteilt, damit ein gewisser Service-Level gehalten werden kann. Kommt mir von Bahnunternehmen sehr bekannt vor: auf vollen und teuren Strecken (Zürich-Bern) wird Gewinn gemacht, so dass das Gesamtsystem in der Fläche auch auf den unprofitablen Strecken am Laufen gehalten wird.
Im letzten Absatz wird noch interessant argumentiert:
More importantly, UberPOOL and Lyft Line put into place a model that’s not unlike one that’s been drawn up for self-driving robotaxis. Kalanick truly believes that shared rideshare via self-driving cars can replace mass transit, and UberPOOL is a way to train us for our robotaxi future. Robot taxis will spend all day picking up and dropping people off on demand, and they will be cheaper and more effective if the cars are as full as possible. Right now, UberPOOL and Lyft Line are not hyper efficient because of the human element, but all the interpersonal problems with UberPOOL and Lyft Line go away if the car has no driver. Uber and Lyft are training us so we’re used to these services when they get rid of drivers altogether.
UberPool soll quasi eine Vorstufe zu roboterisierten/autonomen Taxis sein, die den Massentransit verdrängen/ersetzen können. Das einzige, was jetzt bei den UberPool- und LyftLine-Ansätzen noch stört, ist das menschliche Element Fahrer. Vom massiv höheren Fahrkomfort einer schienengebundenen Verkehrslösung gegenüber jeglicher strassenbasierter Beförderung hat aber auch noch niemand was gehört. Na wer halt auch keine Züge kennt, ausser beim US-Güterverkehr…
Ausserdem gibt es jetzt schon Leerlauf und Mehrverkehr, weil ein Überangebot an Fahrern auf Passagiere wartet. Ich bezweifle, dass sich das ganze System so austarieren lässt, dass es in der Gesamtheit profitabel ist und gleichzeitig auch in der Fläche und in der Tages-/Wochenzeit eine hohe Abdeckung erzielt und gleichzeitig einen genauso hohen Komfort* wie der Schweizer ÖV erreicht.
Wenn die Passagiere ihre Ansprüche von “billig” und “allein fahren” nicht zurückschrauben, kann man da noch so viele autonome Autos auf die Strasse setzen, die wird trotzdem wieder voll, auch wenn sie vorübergehend mal leerer gewesen sein könnte.
*nebenbei: ich bin jetzt vorübergehend ohne GA unterwegs, zweitklassig und mit Fahrkartenkauf. Schon allein der Komfort, in jedes Verkehrsmittel einsteigen zu können, ohne sich um irgendwelche Tarife Gedanken zu machen, ist sehr viel wert. Auch wenn der Billettkauf nur vier Klicks braucht, ist es trotzdem lästig, was natürlich ein absolutes Luxusproblem ist.