Steuerfüsse

Heute hab ich in der Wiler Zeitung (lokale Ausgabe des Tagblatts) gelesen, dass die FDP beantragt, den Steuerfuss der Stadt von 129 auf 127 Punkte zu senken. Gleichzeitig stand im Artikel, dass zur Finanzierung des Baus des Sportparks Bergholz 2014 der Steuerfuss von 124 auf 129 Punkte erhöht wurde. Die Frage: was bedeutet das in Zahlen?

Da das Steuersystem hier ja wunderbar transparent ist (wenn man’s mal verstanden hat), ist die Aufschlüsselung einfach. Nehmen wir mal an, ich hätte ein steuerbares Einkommen von 60’000 Fr. Dann kann ich in der Tabelle für die einfache Steuer (pdf) nachschauen und komme auf einen Steuersatz von 5.76%, entsprechend 3’456 Fr. im Jahr. Das ist aber nicht der geschuldete Steuerbetrag. Damit die Kantone und Gemeinden einfach verglichen werden können, gibt’s sogenannte Steuerfüsse in Prozent der einfachen Steuer.

Für die Kantonssteuer (Kanton SG) zahle ich 115% der einfachen Steuer, also 3’974 Fr.

Wil selbst hat einen Steuerfuss von 129%, d.h. hier zahle ich 129% der einfachen Steuer als Gemeindesteuer, siehe Tabelle beim Steueramt, entsprechend 4’458 Fr. im Jahr.

Wenn jetzt also fürs Bergholz der Steuerfuss von 124 auf 129 Punkte erhöht wurde, kostet mich das 5% von 3’456 Fr., also 173 Fr. im Jahr. Von daher ist es auch wieder absolut gerechtfertigt, wenn ich als Einwohner weniger Eintritt zahle als als Auswärtiger.

Nebenbei: eine Kirchenmitgliedschaft würde mich 22 (katholisch) bzw. 23 (evangelisch) Prozent kosten, also 760 bzw. 795 Fr. im Jahr.

Bei einem doppelt so hohen steuerbaren Einkommen beispielsweise wäre der Sportpark wegen der Progression für mich persönlich deutlich mehr als doppelt so teuer. Aber ich war ja eh schon immer für eine Flat Tax und finde, dass es den Beruf Steuerberater gar nicht geben dürfte.

Tatortnichtguckgründe

Offensichtlich hat der Schweizer Tatort in Deutschland schlechte Quoten, in der Schweiz allerdings sehr gute. Ich glaub aber kaum, dass es am Inhalt (Sterbehilfe) gelegen hat. Die ARD ist vielleicht nicht besonders innovativ und flexibel, aber sie könnten ja trotzdem mal ausprobieren, die Synchronisation bleiben zu lassen und dafür den Schweizer Tatort im Originalton auszustrahlen, in Zeiten des Digitalfernsehens auch gern mit Untertiteln. Der Österreicher Tatort ist sprachlich auch nicht unbedingt leicht verständlich und wird nicht synchronisiert. Die Synchronisation macht das ganze Ambiente des Films kaputt — es gibt kein Deutsch, das einen Schweizer Dialekt auch nur annähernd stimmungsadäquat wiedergeben könnte.

Tonhalle-Orchester am HB

Zum Glück hab ich die NZZ vom Donnerstag doch noch gelesen, weil ich dort auf das Dankeskonzert des Tonhalle-Orchesters Zürich aufmerksam wurde, das heute 13 Uhr in der Wanner-Halle des Hauptbahnhofs Zürich stattfand. Die Spielstätte des Orchesters (die Tonhalle) wird nach den zwei Abstimmungen Anfang Juni umgebaut/saniert und für diese zwei wuchtigen “JA”-Abstimmungen hat sich das Orchester heute beim Volk bedankt. Zu hören gab es Antonín Dvořáks 8. Sinfonie, wobei prominente Gastdirigenten für den dritten Satz ans Pult durften, von denen mir bisher aber nur Stefan Gubser (alias Tatort-Kommissar Reto Flückiger) ein Begriff war. Schauspielern kann er jedenfalls deutlich besser als den Taktstock zu schwingen. Er hat einfach nur rumgerudert und das Orchester hat halt nicht hingeschaut. Ich stand praktischerweise direkt hinter den Celli und konnte die Stimme mitlesen. Zwischendurch gab es ein paar Moderationen und am nervigsten war die Kameradrohne, die im vierten Satz über der Veranstaltung schwebte. Aber viel kürzer geht’s nicht vom Zug zum Konzert und zurück 🙂

Sieht noch gut spielbar aus im einzig wahren Register.
Sieht noch gut spielbar aus im einzig wahren Register.
Acht Bässe mit guter Tontrefferquote.
Acht Bässe mit guter Tontrefferquote.
Das rudernde Dirigat des Reto Flückiger.
Das rudernde Dirigat des Reto Flückiger.
Und der echte Dirigent Lionel Bringuier.
Und der echte Dirigent Lionel Bringuier.

Floating People am Lago Iseo

Eigentlich heissen die Stege auf dem Lago Iseo ja Floating Piers, aber ich wäre in Anbetracht der Menschenmassen dafür, sie eher Floating People zu nennen.

Aber zurück zum Tagesanfang. Ich hatte mich aufgrund des verkehrenden Zugsmaterials dazu entschieden, die Tagestour heute mit dem ÖV anzugehen. 80km wären es mit dem Velo gewesen und im Nachhinein, naja… Das Frühstück im Hotel war, nun ja, ungewohnt. Acht verschiedene Blechkuchen, Kaffee war bestellbar, trockene Brötchen mit einer Dichte kleiner als Luft, Joghurt und Multivitaminsaft gab’s noch. Fertig. Nichts weiter. Etwas ungläubig habe ich mich bei der Inaugenscheinnahme umgeschaut, aber es war alles. Ich war nicht der Einzige, alle anderen, die nach mir kamen, haben genauso blöd gesucht nach dem Rest vom Buffet. Das hat mich dann auch dazu bewogen, meine Zelte morgen schon lange vor dem Frühstück abzubrechen und die Tour zum Mortirolopass früher zu starten.

Pünktlich um 09:34 kam der Bus. Wobei, es sah nicht aus wie ein Bus. Es war eher ein grosser Kleinlaster Typ Sprinter, der um die Kurve geschossen kam und den ich grad noch so als Bus nach Edolo erkennen und winken konnte. Daraufhin kam eine Vollbremsung und ich konnte einsteigen. Ticketverkauf im Bus war nicht, der Fahrer hat nur abgewunken, also bin ich halt gratis gefahren. In Edolo ging’s zum Billettautomat, aber der wollte meine Kreditkarten alle nicht, weder mit Chip noch kontaktlos. Dann zum Glück an den Schalter daneben, eine Tageskarte gelöst und los in den Zug. Die Kunstledersitze hatten Uralt-Charme. Bis Pisogno war die Fahrt ereignislos, danach wurde der Zug eine Station vor meinem Ziel Sulzano gestoppt und die Fahrt war beendet. Von da waren es zu Fuss noch 3km bis zum Ziel und die Stege waren auch schon zu sehen, also bin ich kurzerhand gelaufen.

Etwa 1km vor Sulzano hat schon die Polizei Durchsagen gemacht, dass die Wartezeit bis zum Einlass etwa vier Stunden betragen würde. Also wird der Zugang wohl doch gedrosselt. Vier Stunden Wartezeit in der Mittagssonne würden mir zu viel sein, aber ich bin noch bis hin gelaufen, um mir vor Ort die Situation anzuschauen. Es war wirklich voll. Aber 50m weiter kam schon der Ausgang. Da ich ja des Englischen und des Italienischen nicht mächtig bin, bin ich da auf Umwegen an der Wache vorbeigelaufen und hab mich so von der Rückseite reingeschmuggelt. Tipp: wenn man rückwärts läuft, also die Front zur Wache hat, fällt das bei deren Bilderkennung nicht auf, dass die Trajektorie des Objekts in die falsche Richtung zeigt. Irgendwann war ich um die Ecke und dann auch schon auf der Pontonbrücke drauf. Ja, schwankt halt. Die NATO hat sowas in Olivgrün, aber laut Medienberichten auch nur einmal in Europa. Vielleicht sollten die sich die Stege für spätere Grossübungen sichern. Oder gleich die Übung am Lago Iseo machen.

Den ersten Steg bin ich rübergelaufen, die Farbe des Stoffes ist sehr schön, so extrem ramponiert sah er auch noch nicht aus. Am Rand wird’s nass und wenn man zu nah am Rand und am Wächter ist, wird man wieder in die Mitte vom Steg gescheucht. Auf der Insel hatte ich den eingeplanten Geocache schon abgeschrieben, hatte mal wieder das Höhenprofil nicht beachtet 🙁 An vielen Engstellen und Gängen konnte man schön die Effekte studieren, wie bei schon geringer Verengung und grossem Andrang ein Stau produziert wird. Den zweiten Teil der Stege hab ich mir dann geschenkt, zumal ich grad dort war, als der Zugang blockiert wurde, warum auch immer.

Also war ich schon wieder um 13:30 Uhr am Bahnhof Sulzano für meinen planmässigen Zug um 13:54 Uhr. Der fuhr natürlich nicht. Aufgrund des Andrangs wurden die Menschenmassen schon weit vor dem Bahnhof aufgehalten und kanalisiert. Erst nach Einfahrt des Zuges wurden die Menschen dosiert aufs Perron gelassen und (wie Viehherden) zu den Eingängen des Stadler GTW getrieben (mit Trillerpfeifen sogar). Den Zug in Richtung Brescia (falsch) hab ich ignoriert und beim nächsten hab ich mich dann auf Umwegen noch aufs Perron geschleust und bin mit eingestiegen Richtung Norden. Der Zug fuhr aber nur bis Pisogne und als ich so drin stand, dachte ich: “voll ist das hier nicht, wenn ich mir da zu den Stosszeiten im ZVV die S12 anschaue, gehen hier schon noch hundert Leute rein”. In Pisogne mussten alle aussteigen und ich hab mir dann die Zeit vertrieben, bis mein Zug kam. So eine Shopping Mall ist bei dem Wetter halt doch super, hab mir die Aufteilung des Supermarkts genauer angeschaut und mich über den Mangel an Getränkekühlern gewundert. Postkarten waren auch sehr schwer zu finden. Zur geplanten Abfahrtszeit um etwa 16 Uhr Richtung Norden kam natürlich kein Zug, denn dessen Route führte von Brescia direkt an den Floating Piers vorbei und da war natürlich überall das bekannte Menschenchaos. Also verspätete er sich etwa eine Stunde. Dafür kam dann aber wieder ein Stadler GTW, in dem ich auch das Velo hätte mitnehmen können, wenn ich es gewusst hätte. Ab Pisogne war auch niemand mehr im Zug und es war angenehm kalt. In Edolo hatte ich dann keine Lust, eine Stunde auf den Bus zu warten, bin also direkt (=mit Umweg über einen Geocache, kurz vor dem Katzenfoto) bis zum Hotel gelaufen.

Das Velo stand derweil im Hotelzimmer und hat sich ausgeruht und mit dem gestern gefundenen (und funktionierenden) Handy gespielt.

Heimbüro eröffnet

2x Full-HD plus Laptop(s)
2x Full-HD plus Laptop(s)

In meinem Beruf kann ich genauso gut von daheim arbeiten, zumal die anderen Arbeitskollegen auch ständig unterwegs sind. Damit ich möglichst nichts umstecken und anpassen muss, wenn ich den Arbeitslaptop daheim anstöpsele, hab ich 15 EUR für ‘ne Dockingstation investiert und 200 Fr. für einen zweiten Monitor mit identischer Auflösung plus ein paar Kabel und schon läuft dank VPN das Arbeiten daheim genauso wie im Büro. Ich spare mir die 2h Zugpendeln im Tag, habe dann allerdings den Nachteil, dass ich die NZZ zu Hause lesen muss. Wenn ich dann mal mit dem Arbeiten angefangen habe, ging’s auch schon öfter länger in den Abend hinein und ich schaffe wesentlich mehr, als wenn ich im Büro in Oerlikon sitze. Ab und zu bin ich dann aber doch noch “auf Arbeit”, weil nichts den persönlichen Kontakt ersetzen kann. Nur die Grenzen zwischen daheim und im Büro verschwimmen, was mich aber momentan nicht weiter stört. Bei der Migros hätte ich das rein technisch auch genauso machen können, aber wenn’s der Chef nicht erlaubt, geht’s eben nicht. Vorteil Mobi 🙂 Da sind mir dann auch die nervigen Grossraumbüros, am besten noch mit shared desk, d.h. ohne festen Arbeitsplatz, ziemlich egal. Da könnte ich nämlich nicht regelmässig arbeiten, was man schon am Setup meines obigen Arbeitsplatzes sieht.

Stufen-IC

Auf dem Weg zum Flughafen Leipzig/Halle (mit ÖV) sind mir gestern mehrere Dinge aufgefallen. Nach einem nicht barrierefreien (neuen) S-Bahnhof am Samstag ist am Sonntag erstmal die S-Bahn mit 45 Minuten Verspätung gefahren, laut Aussage der Servicemitarbeiterin wegen eines polizeilichen Einsatzes in Zwickau aufgrund eines herrenlosen (Nebenbemerkung: wieso nicht damenlosen?) Gepäckstücks. Wie kann eine S-Bahn in einer Halbmillionenstadt und einem Ballungsraum, die (schlimm genug: nur) im Halbstundentakt fährt, denn eine 45-minütige Verspätung haben? Da fährt doch zwischendurch schon eine andere bzw. eigentlich sollte ein Betreiber genügend Wagenmaterial und Personal in Reserve haben, um einen anderen Zug in Leipzig bereitzustellen, wenn einer in Zwickau steckt. Sparclowns…

Aufgrund der ausgefallenen S5(X) hatte ich aber das Glück, mit einem der neuen Doppelstock-ICs der DB zu fahren. Mal davon abgesehen, dass da schon Graffiti-Hirnis am Werk waren, die die brandneuen Züge vandalisierend besprüht haben, fiel mir doch schon beim Einstieg extrem negativ auf, dass es zwei Stufen sind. Welches Jahr haben wir nochmal? Bei der Fahrt war dann noch auffällig, dass ein extremer Lärmpegel (zumindest im Vergleich zum IC2000) herrschte. Schlecht isolierte Verbindungstüren. Das sind eigentlich nur bessere S-Bahn-Doppelstockwagen und von denen sind sie ja wohl auch abgeleitet, wenn ich dem Artikel Bombardier Twindexx glaube. Noch dazu sind es lokbespannte Züge und auch das ist schon lange nicht mehr Stand der Technik. Über das fehlende Restaurant kann man sich streiten, aber das ist dann auch nicht mehr wichtig.

Damit ist die DB noch nicht mal auf dem Stand des IC2000 angekommen, der seit 1997 verkehrt und schon immer Niederflur-Einstiege (und auch dazu passende Bahnsteighöhen/Perrons, vielleicht fehlen die in Deutschland) hat. Es kommt wohl immer drauf an, was man bestellt. Die SBB haben jedenfalls von Bombardier genauso die Twindexx bestellt, aber halt in der Schweizer Variante: Twindexx Swiss Express. Das bewährte Konzept mit Niederflureinstieg und der Durchgangsebene im Oberstock wird wohl beibehalten, aber jetzt halt als Triebzug 🙂 Nur leider nicht von Stadler Rail, die könnten das auch.

Zeit vs. Geld

Unter dem Titel Nur ein Tag Elternzeit für Schweizer Väter hat die SZ einen sehr subjektiven Artikel zur Arbeitssituation von Eltern in der Schweiz publiziert. Dazu also hier meine völlig subjektive Gegenmeinung.

Es beginnt mit den drei Kernthesen des Artikels:

  1. Die Schweiz liegt im Vergleich mit den Nachbarländern deutlich zurück, wenn es um familienfreundliche Arbeitszeitmodelle geht.
  2. Der überwiegende Großteil der Väter arbeitet in Vollzeit, viele Mütter in Teilzeit oder gar nicht.
  3. Doch politische Maßnahmen wie die Elternzeit sind bislang nicht durchzusetzen.

Zu 1: Was ist denn an Vollbeschäftigung bitte familienunfreundlich? In der 50 Mann starken Abteilung meines letzten Arbeitgebers war ein Drittel der Mitarbeiter teilzeitbeschäftigt (d.h. weniger als 100%), neu ist es ähnlich. Dazu noch Home Office, freie Zeiteinteilung und vor allem genügend hohe Löhne, dass man sich ein Teilpensum auch leisten kann. Stellen werden direkt mit 80-100% Pensum ausgeschrieben (so auch meine eigene), weil die Arbeitgeber schon wissen, dass viele gar nicht 100% arbeiten möchten. Solange die Nachfrage nach Arbeitskräften ungebrochen ist, können nämlich die Arbeitnehmer fordern, was sie gerne hätten. Darüberhinaus ist in dieser Situation ein Wechsel des Arbeitgebers ebenso schnell möglich.

Zu 2: Das mag für die ältere Generation zutreffen. Grad Männer in meiner Alterskohorte (und ähnlicher Ausbildung) machen sehr häufig Teilzeit. Und warum? Weil sie es sich leisten können und wollen und sich häufig die Frage stellen, ob sie lieber jetzt Geld, aber keine Zeit haben und dann später Zeit haben, aber nicht mehr fit sind, all das zu machen, was sie jetzt machen könnten. Und auch bei jüngeren Familien kann man die Frage mal andersherum formulieren, ob es denn nicht Luxus ist, dass eben grad nicht beide Vollzeit arbeiten müssen, um das Familieneinkommen zu sichern. Vielleicht müssen es die Schweden ja wegen der hohen Sozialabgaben und verbrämen es als “beide wollen Karriere machen”?

Zu 3: Das Volk ist meist nicht ganz blöd (zumindest die, die abstimmen gehn). Irgendjemand muss den Zwangsurlaub für alle Väter bezahlen. Das kann über generell niedrigere Löhne passieren, über höhere Steuern oder auf irgendeinem anderen Weg. Aber: es zahlen vermutlich alle. Das ist ähnlich wie die Rundfunkgebühr, die zahlen (demnächst) auch alle, auch wenn sie es nicht nutzen. Das Gleiche ist damit doch schon bei der Initiative für mehr Ferien geschehen: staatlich verordnete 6 Wochen Mindestferien im Jahr wurden abgelehnt. Es ist genau dieselbe Argumentation wie beim Väterurlaub: lasst den Leuten die Eigeninitiative und die Selbstverantwortung. Wer mehr frei haben möchte, nimmt unbezahlte Ferien oder reduziert (vorübergehend oder dauerhaft) sein Pensum. Und diese zwei Dinge sind wesentlich einfacher zu haben als in Deutschland, einerseits von Arbeitgeberseite und andererseits auch gesellschaftlich anerkannt. Ich werd zumindest nicht schief angeschaut, wenn ich sage, dass ich nur 90% arbeite und dafür im Gesamtsaldo 56 Ferientage im Jahr habe. Nur Deutsche sind neidisch drauf und die Schweizer sagen jep, hab ich auch.

Noch ein paar aus dem Zusammenhang gerissene Zitate aus dem SZ-Artikel:

“Ich habe zwei Söhne, zwei und vier Jahre alt, sie gehen in eine Krippe, das kostet etwa 2000 Euro pro Monat und Kind.”

Einerseits ist das durch den Wechselkurs sowieso verzerrt. Wahrscheinlich sind es etwa 2’200 Fr., was mit einem anderen Kurs in EUR günstiger aussieht. Der Grund für die hohen Kita-Preise sind die fehlenden Subventionen und generell höhere Kosten.

Tatsächlich ist die Schweiz im Vergleich zu den Nachbarländern in den vergangenen Jahren in eine Schieflage geraten, was familienfreundliche Arbeitszeitmodelle betrifft. Während sich in Deutschland immer mehr Mütter und Väter 14 Monate Elternzeit untereinander aufteilen – und die Männer in einigen Branchen sogar kritisiert werden, wenn sie nur zwei Monate freinehmen, hat ein junger Vater in der Schweiz Anrecht auf nur einen freien Tag. Einige Arbeitgeber gewähren mehr freie Tage, doch das ist freiwillig.

Die Schieflage besteht für mich doch eher in der grossen Umverteilung in Deutschland und anderen Ländern. Ich empfinde den Arbeitsmarkt hier als paradiesisch und die Lohnungleichheit ist auch kein Problem. Und nochmal: es ist familienfreundlich, wenn mein Lohn so hoch und mein Job so sicher ist, dass ich einfach zum Chef gehen und meine Arbeitszeit reduzieren kann. Nur im Gegensatz zu Zwangsferien bzw. einem staatlich sanktionierten und subventionierten Familienmodell wie der deutschen Elternzeit hat man hier die Wahl, ob man möchte oder nicht. Mal davon abgesehen, dass bei der deutschen Elternzeit lustigerweise auch die Frauen den grössten Teil nehmen und die Männer nur das, was sich im Sinne von “Subventionsmassnahme, also mitnehmen” nicht vermeiden lässt.

Ich beobachte, dass sich zwei unterschiedliche Arbeitsmärkte entwickeln. Die großen Player, die mit Google, Facebook und Co. um die besten Leute konkurrieren, führen betrieblichen Vaterschaftsurlaub ein und betreiben eine interne Kita. Für die normalen Leute, die in kleinen oder mittleren Unternehmen arbeiten, fehlen diese Angebote. Vor allem auf dem Land.

Richtig. Wie ich schon meinte: bei Vollbeschäftigung und solange Arbeitnehmer gesucht werden, tun die Firmen was dafür und treten in einen Wettbewerb um die besten Arbeitsbedingungen. Die grossen Firmen können es sich sowieso leisten und stehen im globalen Wettbewerb. Bei den mittleren und kleinen Firmen sieht das aber vermutlich ganz anders aus. Wenn in einem KMU mit zehn Leuten plötzlich zwei Väter da sind und die für jeweils einen Monat ganz fehlen, kann das das Unternehmen wirklich in Bedrängnis bringen. Da hilft es auch nichts, wenn der Lohn(-ausfall) über irgendeine Sozialversicherung dem Arbeitgeber erstattet wird, wenn die Arbeitsleistung fehlt. Ich finde es wesentlich passender, das statt über bundesstaatliche Verordnung von oben direkt im KMU, zwischen Betrieb und Arbeitnehmer zu regeln. Da kann das getan werden, was für beide Seiten passt. Im Zuge des Frankenschocks von vor einem Jahr zum Beispiel auch eine temporäre Erhöhung der Arbeitszeit auf 45 Wochenstunden (beim Bühler).

Eine Studie des Schweizer Bundesamts für Statistik aus dem Jahr 2012 zeigt: In fast der Hälfte der Schweizer Haushalte mit Kindern unter 15 Jahren ist der Vater vollerwerbstätig, die Mutter arbeitet Teilzeit. Dazu kommen 30 Prozent Haushalte, in denen der Vater Vollzeit, die Mutter gar nicht arbeitet. In zehn Prozent der Familien arbeiten beide Vollzeit. Das zeigt: Besonders für Väter gibt es kaum Wahlmöglichkeiten. Wer seine Arbeitszeit reduzieren will, stößt oft auf Unverständnis.

Die Zahlen am Anfang stimmen. Die Schlussfolgerung, dass Väter keine Wahlmöglichkeiten hätten, ist waghalsig, und dass sie auf Unverständnis stossen, erst recht. Warum jemand Vollzeit arbeitet, steht in keiner dieser Statistiken. Ich hab noch keinen Mann hier erlebt, der mit unbezahltem Urlaub oder Teilzeitpensum Probleme gehabt hätte. Die Unternehmen wissen, dass sie den Forderungen nachgeben sollten — wenn sie das nicht tun und ein langjähriger und erfahrener Mitarbeiter kündigt, wird das Anwerben und Einarbeiten eines Nachfolgers wesentlich teurer und langwierig. Die Gewährung kostet sie ja nicht mal was, sondern erhält ihnen in diesem Sinne einen (noch glücklicheren) Mitarbeiter.

Jede Familie sollte das mit sich selbst ausmachen, wie sie Arbeit und Einkommen aufteilt, frei wählen können und nicht ein bestimmtes Modell vorgeschrieben oder begünstigt bekommen. Deutschland hat da schon allein mit dem (herkömmlichen) Ehegattensplitting und den schon bei verhältnismässig niedrigen Einkommen fälligen Spitzensteuersätzen bei gemeinsamer Besteuerung ziemlich schlechte Argumente im Vergleich zur Schweiz, auch wenn die Kita-Plätze viel stärker subventioniert sind 🙂

Klingt irgendwie liberal, merke ich grad, ist aber bei mir sogar noch passender grünliberal. Jetzt hab ich mir alle Positionen in deren Programm doch mal durchgelesen und so auf Anhieb nichts gefunden, dem ich vehement widersprechen würde.

Zum Beispiel der Punkt:

Wir stehen zum bewährten Drei-Säulen-System der schweizerischen Altersvorsorge, sind aber der Meinung, dass der Zeitpunkt der Pensionierung geschlechtsneutral flexibilisiert werden sollte und die Lasten ausgeglichen auf die Generationen zu verteilen sind.

Das sag ich schon seit Jahren. Ist doch völlig egal, wie das offizielle Pensionsalter festgelegt ist. Es muss ja gar keins geben. Man kann den Zeitpunkt der Pensionierung einfach selbst wählen, hat dann eben Altersguthaben in den drei Säulen, dann wird mit der Lebenserwartung gegengerechnet und die Rente oder der Kapitalbezug stehen fest. Wer eher aufhört, hat halt länger was von weniger Rente, wer später aufhört, hat tendenziell kürzer was von mehr Rente. Simpelste Versicherungsmathematik, bisschen Demographie mit Sterbetafeln, fertig. Ich seh das Problem nicht 🙂

Oder auch dieser:

Die Gleichstellung von Mann und Frau und aller Familien- und Lebensmodelle ist für uns selbstverständlich und muss sichergestellt werden. Dies bedingt beispielsweise die Sicherstellung von gleichen Löhnen für gleiche Arbeit, eine Gleichbehandlung zwischen Ehepaaren, eingetragenen Partnerschaften und Konkubinaten im Steuer- und Sozialversicherungsrecht, die vollumfängliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sowie deren Zulassung zum Adoptionsverfahren. Kindererziehung soll für Männer und Frauen mit einer Berufstätigkeit vereinbar sein. Angebote für Tagesstrukturen und Teilzeitstellen sind für uns deshalb auf allen Stufen und für beide Geschlechter eine Selbstverständlichkeit. Der Staat soll den Familien nicht die Erziehungsverantwortung abnehmen, sie aber falls nötig dabei unterstützen.

Im Zusammenhang mit

Rolle des Staates
Wir stehen für einen starken aber schlanken Staat ein, der sich auf seine Kernaufgaben konzentriert, auf Eigenverantwortung basiert und seine Dienstleistungen wie ein modernes Unternehmen organisiert. Zu den Kernaufgaben des Staates gehören für uns das Setzen von Rahmenbedingungen für einen fairen und freien Wettbewerb, die Korrektur von Marktversagen, der Schutz der individuellen Freiheit und Sicherheit, der Zugang zu Bildung und Gesundheit sowie die Existenzsicherung von sich in einer Notlage befindenden Bewohnerinnen und Bewohnern unseres Landes. Es ist regelmässig und sorgfältig zu prüfen, ob Aufgaben durch den Staat effektiv und effizient erfüllt werden oder durch Private besser ausgeführt werden können.

ist die GLP wohl die Partei, in der ich mich am wohlsten fühlen würde. Ich glaub, den letzten zitierten Absatz haben sie aus Wohlstand für Alle abgeguckt 😀

Die FDP würde zwar in vielen Punkten auch passen, aber will eine zweite Röhre am Gotthard…

Asterix und die zweite Röhre

Heute war mal wieder ein sehr schöner Leserbrief in der NZZ zur zweiten Strassenröhre am Gotthard. Wenn ich Ende Februar mitstimmen dürfte, wäre mein Nein sicher. Das Verlagerungsziel von der Strasse auf die Schiene ist noch lange nicht erreicht und da will der Bundesrat wirklich die Kapazität durch den Berg de facto verdoppeln und dann aber, um dem Formalismus “keine Kapazitätserhöhung” Genüge zu tun, beide Röhren nur einspurig betreiben? Wer soll denn den Quatsch glauben? Sobald ein Verkehrsweg baulich da ist, wird er auch für andere Zwecke genutzt als offiziell festgeschrieben. Schönes Beispiel: die Magdeburger Sternbrücke. Die ist zwar nur für ÖV, Fussgänger und Velos (und auch nur mit dieser Beschränkung waren die staatlichen Fördergelder freigegeben), aber kaum waren mal auf den anderen Elbquerungen längere Bauarbeiten und damit Staus für die FahrStehzeuge, wurde flugs die Brücke als offizielle Umleitung freigegeben. Wenn die Strassen im Stadtpark noch besser wären und auf der anderen Parkseite noch eine weitere grosse Brücke, dann wäre da längst eine Autobahn. Städte sind für Menschen und nicht für Autos, so langsam kapieren das einige Leute aber doch.

Leserbrief, NZZ Nr. 2/2016, Seite 9
Leserbrief, NZZ Nr. 2/2016, Seite 9

Sinnvolle Alternativen zur zweiten Röhre gibt’s genügend. Ich würd’s als Liberaler über den Preis regeln. Eine nachfrageabhängige Strassentunnelmaut und für die, die wirklich nur von Norden nach Süden durch die Schweiz wollen, gibt’s eine rollende Landstrasse (z.B. von Basel nach Chiasso), die nicht teurer sein darf als die Tunnelmaut plus noch ein paar eingesparte Selbstfahrkilometer. Natürlich dann bei allen Tunneln, sonst weichen die Leute nur aus. Macht es den Leuten bequem und sie nutzen es, ganz sicher. Ich frag mich sowieso, was am Selber-Autofahren so toll sein soll. Ist doch nur anstrengend. Ich lasse lieber fahren und hab mich drum auch schon für die Verlosung von Eröffnungsfahrt-Tickets für den Gotthard-Basistunnel registriert.

Saisonales

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Sonnenaufgang am 16.11.

Das Wetter spielt hier schon lustige Kapriolen. Den allgegenwärtigen und seit Jahrhunderten normalen Föhn bin ich ja inzwischen gewohnt, mit diesem kann’s auch im Winter mal zweistellige Celsius-Temperaturen geben. Aber dass man im November noch warme Velotouren (nicht im Tessin) machen kann und ich diese Woche noch in Bern in der Mittagspause mir mit T-Shirt fast einen Sonnenbrand geholt habe, ist doch nicht ganz normal.

Weil es jetzt auch so lange trocken war, hab ich mich doch noch mal entschlossen, einen schon lange gelösten Geocache (GC37RT2 (Im Park)anzugehen. Ich wusste, dass der unterirdisch sein würde. Der Krebsbach, der in Wil ein paar Meter nach dem Weier unterirdisch verschwindet, taucht irgendwo wieder auf, ist also vollständig verrohrt unter der Stadt. Dort, wo der Bach wieder auftaucht, muss man in den Tunnel einsteigen. Eben wegen der Trockenheit geht das momentan recht bequem mit Badelatschen und kurzer Hose.

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Am 17.11. noch mit Badelatschen in den Krebsbach.

Dann folgen etwa 250 Schritte im Tunnel, bevor es im 10m langen Rohr recht eng wird (ja, da muss man durch). Danach zeigt sich ein vielleicht 3x3m grosser Raum und dort drin ist der Cache versteckt.

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100-200m nach dem Tunneleingang wurde es für 10m noch enger.

 

Die SBB haben derweil schon auf Winterbetrieb umgestellt. Das bedeutet weniger Platz für antizyklisch Veloreisende wie mich. Auch ganz interessant: da ich jetzt nach Oerlikon muss, ist die morgendliche Fahrt (mit Velo im Zug) zum Flughafen und von dort die Runde nach Oerlikon ganz passend, im Minimum 6.5km. Wenn man natürlich noch Caches suchen geht, wird’s länger. Und wenn man dabei das Portemonnaie im Wald verliert (weil die Travel Bugs ganz unten in der Tasche sind), das erst im Büro bemerkt und dann nochmal zurückfährt, wird’s noch länger. Aber besser 10km mehr gefahren als Stress mit dem Sperren und Neubeantragen von Karten. Ab dem Fahrplanwechsel gibt es den morgendlichen Direktzug Wil-Oerlikon nicht mehr (07:11 Uhr, eh viel zu früh), dafür gibt es aber neu einen direkten Zug um 17:37 in der Gegenrichtung, wie ich festgestellt habe. Die Umsteigeverbindungen sind alle halbe Stunde 46 und 49 Minuten lang, da kann man auch nicht meckern.

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SBB mit saisonaler Skihalterung (ein Rollkoffer ist sicher ein Ski) — ich wieder antisaisonal unterwegs.

Noch in der warmen Morgensonne wurde schon die Weihnachtsbeleuchtung in der Altstadt aufgehängt. Ich dachte schon, die Männer wollten den Blauregen beschneiden.

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Weihnachtsbeleuchtungsmontage in der warmen Morgensonne

Der Wintereinbruch folgte gestern, wie angekündigt. Endlich monatsadäquates Wetter.

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Schneefall am 21.11., Weihnachtssterne sind montiert

Ein bisschen saisonal bin ich dann doch — aber das Velo wird nicht eingemottet, sondern nur für Winterbetrieb fitgemacht.

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Spikemontage am 22.11.

Nächste Woche bin ich öfter in Thun, beim Mobiliar Forum Thun. Ich würde da ja mindestens einen Bindestrich dazwischensetzen, aber das interessiert eh keinen.