American Solar Challenge 2016, unsortierte Gedanken

Ab dem 24.07. wird es interessant, dann startet mein Ausflug mit dem Solar-Energy-Racers-Team von Bühler Uzwil und der ZHAW an der American Solar Challenge 2016. Die Challenge über gut 3150km findet alle zwei Jahre statt. Das dreirädrige Solarauto SER-1, was schon 2011 an der World Solar Challenge in Australien mitgefahren war, ist von unserem Team umgeben. Das vierrädrige Solarauto SER-2, bei dem ich auch in Australien 2013 dabei war, ist sozusagen im Schwesterteam von Bühler Minneapolis (BMIN) und Dunwoody College untergebracht. Ich soll für beide Autos die Strategie unterstützen. Na dann wollen wir mal…

Zwischen AUS und USA liegen von den Buchstaben her keine Welten, vom Rennaufbau her aber schon. In Australien ging das Rennen grob gesagt von Norden nach Süden, was ausser den lustigen Zeitzonenverschiebungen den klimatischen Vorteil hatte, dass es immer erträglicher und in Adelaide sogar sehr angenehm wurde. Dieses Jahr in USA geht’s von Osten nach Westen, auch inklusive Zeitzonenverschiebungen. Geographisch sind wir etwa auf der Breite von Sizilien bzw. knapp Nordafrika unterwegs und das schwankt auch nicht stark. In AUS hat sich die Solarleistung doch innerhalb der paar Tage verändert, in USA bleiben wir grob gesagt auf der Grenze zwischen Iowa und Missouri +/-500km in N-S-Richtung. Am Ende des gesamten Rennens in USA werden die Einzelzeiten für die Etappen summiert und so der Sieger bestimmt.

Ungefähre Strecke der American Solar Challenge 2016
Ungefähre Strecke der American Solar Challenge 2016

In AUS war das Rennen abstrakt ausgedrückt eine vollständige Etappe über 3000km. Man konnte von 8-17 Uhr fahren, musste an den Kontrollstops anhalten und sich ansonsten an die Verkehrsregeln halten, Übernachtungen irgendwo an der Strecke, fertig. Das führt natürlich dazu, dass sich die Teams gleich nach dem ersten Renntag schon ziemlich weit verteilen und sich während dem Rennen eher selten wieder treffen. In USA besteht die Challenge aus vier unterschiedlich langen Etappen (Stages): Start und Ende jeder Etappe sind festgelegt, dort treffen sich alle Teams. Dazwischen gibt es einzelne Kontrollstops. Einer der Sponsoren sind die Nationalparks (100-Jahr-Jubiläum Ende August 2016) und dort in den Nationalparks sind auch immer die Übernachtungen an den Stage-Stops.

Das Reglement ist bezüglich der Solarladung der Batterie recht restriktiv und lästig, wie ich finde. Während in Australien die Kontrollstops meist zu Extra-Energie führten (weil die Panels über die volle Stopzeit aufgestellt werden können), ist an der ASC2016 der Kontrollstop nur 45 Minuten lang und man kann maximal eine halbe Stunde laden, weil man 15 Minuten nach Ankunft die Batterie impounden (abklemmen und versiegeln) muss und sie erst 15 Minuten vor dem Start wiederbekommt. Das heisst, ein Kontrollstop kostet in diesem Sinne Energie. Interessanterweise führt das zu derselben Strategie, wo der Kontrollstop im zeitlichen Tagesverlauf möglichst liegen sollte: am Tagesrand. In Australien hat man am Checkpoint zur Tagesrandzeit über eine volle Stunde deutlich mehr Energie bekommen, als man während der Fahrt in der gleichen Zeit reinbekommen hätte: wegen perfekt zur Sonne ausgerichteter Panels. An der ASC2016 hat man 2×15 Minuten Zeit, die Panels perfekt auszurichten und verliert in der Viertelstunde dazwischen am wenigsten Energie, wenn die Sonne nicht im Zenit steht.

Noch strenger ist das Reglement im Hinblick auf die Stage Stops (wo sich alle Teams wieder treffen): dort hat man eine halbe Stunde nach der Ankunft Zeit, noch zu laden und muss dann die Batterie abgeben. Erst am Abend ab 18 Uhr treffen sich alle Teams zur gemeinsamen Solar Charging Session wieder und alle laden ihre Batterien wieder bis Sonnenuntergang. Das heisst, wenn man schon 15 Uhr am Stage Stop ist, hat man unter Umständen nichts gekonnt (oder schlecht gerechnet halt), weil man dann 2.5 Stunden Energie verliert, die man nicht einsammeln darf. Wieviel das genau ist, kann ich theoretisch ausrechnen, es dürften etwa 1-2kWh sein. Wenn man natürlich das Auto so perfekt und sparsam gebaut hat, dass die Batterien eh nach der halben Stunde erlaubter Ladezeit und der abendlichen Lade-Session plus der morgens vor dem Rennen noch einsammelbaren Energie voll sind, dann kann man schön um 15 Uhr ankommen und ab 15:30 Uhr Kaffeetrinken gehn. Oder Geocaches suchen. Idealerweise beides.

Überschlagsmässig: die erste Etappe geht über zwei Tage und 732km/455mi. Mit SER-2 hatten wir über die 3000km einen Schnitt von 75km/h, d.h. für die erste Etappe sollten 10h Fahrzeit ausreichen. Ein Renntag geht von 09-18 Uhr; Geschwindigkeitsbegrenzungen, Ortsdurchfahrten, alles Dinge, um die man sich in Australien eher weniger kümmern muss. Dafür Rechtsverkehr statt Linksverkehr (egal) und Meilen statt Kilometer und Yards statt Meter und Fahrenheit statt Celsius/Kelvin (dreimal igitt-igitt, passende Grafik hier). Im Prinzip kann man eine Etappe von der Energie her als abgeschlossenes Minirennen betrachten — idealerweise hat man am Ende dieser Etappe wieder mit dem letzten eingesammelten Sonnenstrahl punktgenau eine volle Batterie. Wenn die Batterie schon länger wieder voll ist, hätte man die Etappe eben schneller fahren können. Die erste Etappe hätten wir bei einem derart hohen Schnitt schon am Morgen des zweiten Tages geschafft. Bei einem Schnitt von 60km/h wäre am Mittag des zweiten Tages schon der Stage Stop erreicht. Hmm, da muss ich nochmal drüber schlafen, ob das so stimmen kann. Das Reglement muss ich mir auch nochmal zu Gemüte führen.

Vor der Challenge ist noch ein dreitägiges (jährlich durchgeführtes) Rennen auf einem Rundkurs, das als Qualifying zur Challenge genutzt wird. Da können und müssen wir noch gut Daten sammeln zum Auswerten. Theoretisch sind meine Berechnungen zur Energie fertig, aber ohne echte Werte nutzlos. Lustig wird wieder die Verbrauchsschätzung in Wh/km. Bei SER-2 waren es im Schnitt etwa 15Wh/km, aber stark schwankend. Immer diese blöden Daten aus der realen Welt. Aber viel besser und spannender als selbst generierte und simulierte Daten von E-Bike-Ausleihen 🙂 Und wenn SER-1 einen Vollkaskoschaden hat, steigt die Versicherungsprämie ins Unermessliche — ausser er hat einen Drive Recorder und Telematikdaten, dann wird’s wieder günstiger. Ah Mist, Berufskrankheit als Data Scientist bei der Mobiliar, der mit solchen Daten zu tun hat 😉

Was ich noch brauche:

  • Verbrauchswerte vom SER-1
  • Solar-Leistungswerte vom SER-1
  • zu erwartende Energiemenge abends und (!) morgens
  • einen Rechenschieber mi-km mit dem Faktor 1.60934 🙂

Die Gedankensortierung folgt noch. Meine Glaskugel für Vorhersagen und Insights Einsichten Erkenntnisse hat auch noch nebliges Wetter, braucht mal einen Föhnsturm.