ASC2016, Tag 2

Aufgrund der Bedingungen der Challenge kommen heute alle Teams am Stage Point in Vincennes an und fahren morgen wieder gleichzeitig von dort los. Da wir gestern gut vorangekommen sind, waren heute nur noch 240km zu fahren, was entsprechend schon am Mittag fertig war. Meine Berechnungen hatten ergeben, dass es sich lohnen könnte, morgens eine Viertelstunde später loszufahren und dafür noch Energie mitzunehmen. Ob ich mich verrechnet habe, sehen wir morgen am Tag 3 vor dem Start.

Besondere Vorkommnisse gab es keine, ausser dass ich mal beim Überwachen der Daten gesehen habe, dass die PV-Zellen keine Leistung liefern, so dass wir dann einen kurzen Kontrollstop eingelegt haben. Danach ging alles wieder reibungslos bis zum Ende der Etappe um 12:47 Uhr.

Eine Viertelstunde nach Ankunft konnten wir noch laden, jetzt ist die Batterie versiegelt und erst heute abend können alle Teams von 18-20 Uhr wieder laden. Dasselbe morgen früh von 07-09 Uhr. Wenn die Batterie dann nahezu voll ist, hab ich mich nicht verrechnet. Momentan sind wir an zweiter Stelle und wenn Team Michigan nichts Aussergewöhnliches passiert, kommen wir auch nicht weiter nach vorne.

Zur Zeit mache ich also auch nichts anderes als sonst im Büro, aber mit viel mehr Zeitdruck und viel mehr Stress und Verantwortung. Programmieren, rechnen, nachdenken. Nützliche Ergebnisse kommunizieren, z.B. “speed up to 55 miles per hour, we need to use more energy” oder “fahrsch e chli langsamer, mer müent s bitz ufpasse mit d batterie”. Ad-Hoc-Anfragen mach ich auch. Gleichwohl bin ich von allen anderen Leuten abhängig (Mechanik, Elektrik) und kann ohne deren geniale Vorarbeit nichts tun. Zumindest weiss ich jetzt, wozu ich hier mitfahre und die anderen wissen’s irgendwann auch. Wenn alles gut läuft, will’s keiner gewesen sein, und wenn ich mich verrechne, bin ich der Depp. Auch das wie üblich als Informatiker 🙂

Statistiken folgen noch.

Die Beispiel-Statistiken vom ersten Renntag. Einheiten vergessen, ich weiss. Ist aber alles metrisch und in W bzw. Wh.
Die Beispiel-Statstiken vom ersten Renntag. Einheiten vergessen, ich weiss. Ist aber alles metrisch und in W bzw. Wh.

So ungefähr sieht eins meiner Daten-DashboardsArmaturenbretter aus. Alles, was mit Leistung und Energie am Dreieck Motor–Batterie–Zellen zu tun hat. Ob das genau so hinkommt, weiss ich auch noch nicht, es sind beispielsweise keine Wirkungsgrade (Laden, Entladen, Umwandeln) mit eingerechnet. Die Batterieladung dürfte daher schon etwas abweichen.

Schön bunt. Hilft beim Abschätzen der Solarenergie über die Zeit.
Schön bunt. Hilft beim Abschätzen der Solarenergie über die Zeit.

Mal angenommen, ich muss für eine zu fahrende Strecke (240km) abschätzen, wie lange wir brauchen, wieviel Energie wir brauchen und wieviel Energie reinkommt. Das geht mit diesen Grafiken ganz gut. Jeder Balken stellt eine halbe Stunde dar und ich kann für die verschiedenen Streckenorte schätzen, wieviel Energie in dieser Zeit über die Panels ankommt bei voller Sonne. Die Entladung über den Motor kann ich ganz gut schätzen, vielleicht 15-17 Wh/km. Dann brauche ich für den Stage Stop heute z.B. noch ein Ziel an Batterie-Entladung (z.B. 3000Wh freie Kapazität), weil ich weiss, dass am Abend und am nächsten Morgen noch Energie kommt (z.B. zweimal 1.5kWh), die es mitzunehmen gilt, bevor wir wieder fahren können. Diese Überschlagsrechnungen (schönes Wort dafür: Triage) mache ich relativ häufig und bisher hat es gut gestimmt. Wenn mich jemand fragt, wie voll die Batterie ist, kann ich dann eine (aus meiner Sicht sinnlose) Prozentzahl angeben und alle sind zufrieden. Ist schon deutlich genauer als meine Glaskugel für datenlose Analysen 😀

Ruhetag zur Vorbereitung

In der Nähe von Cleveland war heute ein Ruhetag, an dem auch die Siegerehrung des FSGP2016 stattfand und wir ebenfalls vom National Park Service über selbigen informiert wurden. Am Nachmittag gab es (nach dem ordentlichen Regenschauer) eine Ausstellung aller Solarautos für die interessierte Öffentlichkeit.
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Disqualifiziert und qualifiziert

SER-2 und das Team auf dem Pittsburgh Race Complex.
SER-2 und das Team auf dem Pittsburgh Race Complex.

Das Ergebnis des Qualifyings war über längere Zeit absehbar, zumindest das rein vom Reglement her vorgesehene. SER-1 (drei Räder) hat sich nicht qualifiziert, weil weder an einem Tag 330km noch an zwei Tagen 495km auf der Rennstrecke gefahren wurden. Ausserdem hat auch nur einer unserer Fahrer genügend Runden auf dem Fahrzeug gemacht. SER-2 hat sich ebenfalls nicht qualifiziert, aber deutlich knapper und alle Fahrer sind mit der Mindestrundenzahl qualifiziert.

Eigentlich gibt’s also keine Solar Challenge für unsere beiden Teams.

Nach Diskussionen und Verhandlungen mit der Rennleitung dürfen wir aber trotzdem provisional mit SER-2 mitfahren und müssen auf der ersten Etappe unter Beweis stellen, dass wir sie aus eigener Kraft schaffen, d.h. das Fahrzeug nicht auf den Hänger laden und dass wir innerhalb der zulässigen Zeiten für Checkpoint und/oder Stage Point bleiben. Wenn wir das schaffen, sind wir ab dann wieder ganz normale Rennteilnehmer.

Das Beste am Fahren auf der Rennstrecke mit den Solarautos war die beinahe Geräuschlosigkeit der vorbeifahrenden Fahrzeuge; kaum Luftwiderstand, keine extrem hohen Geschwindigkeiten, leichte Fahrzeuge, schmale Reifen.

Morgens um 06:30 am Motel im Osten von Cleveland.
Morgens um 06:30 am Motel im Osten von Cleveland.

Daten krieg ich am ersten Renntag und ob die so aussehen, wie ich das gebrauchen kann und auch alle notwendigen Informationen enthalten, seh ich dann. Bis dahin muss ich die theoretischen Grafiken auch noch nicht weiter verbessern, denn in den Tagesrandzeiten müsste ich eigentlich noch die Ladezeiten abschneiden: man darf erst ab 07 Uhr laden und auch abends nur bis 20 Uhr. Aber erstmal müssen wir sowieso sehen, dass das Solarauto SER-2 zuverlässig läuft. Unsere beiden Teams (Teamnummern 15 und 51) sind jetzt zusammengelegt worden. Für mich hat das den Vorteil, dass ich nicht für zwei verschiedene Fahrzeuge Daten auswerten muss und dass ich für SER-2 schon ein Gefühl für Ladeleistungen und Verbräuche habe von der World Solar Challenge 2013 in Australien. Ob das hilft, werde ich noch sehen. Gefühle für ein Auto, dass es mal bei mir soweit kommen würde 🙂

Scrutineering erfolgreich

Der letzte noch ausstehende Test vom Fahrverhalten, nämlich die Verzögerungsleistung der Bremsen, war heute nach etlichen Anläufen auch noch erfolgreich. Leider nicht zu 100%, das wären 4.72m/s^2 auf nassem Asphalt gewesen. Wir haben die Verzögerung nur auf trockenem Asphalt erreicht, so dass das eine Zeitstrafe von fünf Minuten pro Renntag (d.h. 40 Minuten über die Gesamtdistanz) zur Folge hat. Aber immerhin dürfen wir jetzt ins Qualifying.
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Korrigierte Leistungs-/Arbeitsgrafiken

Der Teufel steckt im Detail. Grad zur Mittagspause im Solar Noon fiel mir ein, warum der Sonnenuntergang (und auch der Solar Noon) nicht gestimmt haben: ich hatte den Solar Noon fix auf 12 Uhr gesetzt im Code, was natürlich nicht stimmt. Es ist eher um 13:30 Uhr herum, also hab ich das jetzt angepasst für die paar Streckenorte. Ausserdem war Topeka KS zweimal bei meinen Stage Stops vorhanden, was aber nicht aufgefallen ist in den Grafiken, weil ich die Beschriftung noch nicht exakt gemacht hatte.

Jetzt stimmt’s dafür, aber die grundlegenden Aussage, dass sich die Streckenorte von der Energie her nicht stark unterscheiden stimmt. Es gibt allerdings Verschiebungen im Tagesverlauf und die Zeitzonensprünge sind auch nicht berücksichtigt. Aber beides ist für die Gesamtenergie nicht relevant. Eine Kalibrierung steht noch aus, beide Solarautos fahren inzwischen draussen herum.

Boxenstop

Nach der nächtlichen Pause (wie damals in Adelaide) ging es weitere 600 Kilometer per Flugzeug bis nach Pittsburgh. Mein Gepäck war schon eher da als ich. Drei Teammitglieder haben mich abgeholt und wir sind bis zum Pittsburgh Race Complex gefahren. Auf der Fahrt dahin gab’s sogar das wahnsinnige Mountaintop Removal Mining zu sehen, wobei das für jemanden, der das mitteldeutsche Braunkohlerevier mal gesehen hat, auch nichts so Besonderes ist, nur halt noch in grösseren Dimensionen. In Gray Mountain von John Grisham ist das auch schön beschrieben.

Wir warten noch auf die Registrierung für die Fahrzeuge, nebenbei schrauben andere Teams an ihren Solarautos und morgen soll das Rennen auf der Piste starten. Hauptsächlich geht’s für uns darum, Fahrerfahrung zu sammeln und für mich Messwerte und Daten 🙂

Zeltlager direkt an der Rennstrecke.
Zeltlager direkt an der Rennstrecke.

Wir zelten. Solange es nicht zu heiss ist, halbwegs erholsam.

Lead Car (fährt vor dem Solarfahrzeug)
Lead Car (fährt vor dem Solarfahrzeug)
Chase Car (fährt dahinter)
Chase Car (fährt dahinter)

Hinten rechts in dem Auto müsste ich mir dann noch meinen Arbeitsplatz einrichten. Strom, Laptop, Kaffeemaschine, Internet, das reicht dann eigentlich. Die Lebara-Karte, die ich mir noch spontan gekauft hab, hat für 49 Fr. 30 Tage lang 1 GB Datenvolumen, das müsste für die 14 Tage hier bei sporadischer WiFi-Nutzung reichen. Auch für Geocaching. Ich hoffe, dass sich der Quatsch mit dem PokemonGo in Wil vor meiner Haustür nach der Rückkehr wieder etwas gelegt hat und nicht immer noch permanent Halbwüchsige mit 4G vor meinem Fenster herumhängen. Sonst müsste ich mal das GPS spoofen oder den mobilen EMP-Generator auspacken 😛 Leute, geht doch einfach Geocachen, das ist viel spannender. Ich hab meine 366-Tage-Challenge (366 Tage lang jeden Tag mindestens einen Cache) grad erfüllt.

Pittsburgh Race Complex. Unten rechts ein Solarauto.
Pittsburgh Race Complex. Unten rechts ein Solarauto.

Ganz schön stürmisch hier, zum Glück nicht permanent so ekelhaft schwül wie damals in Darwin.

Ungeplante Umsteigepause

Nach dem kurzen Flug von Zürich nach Warschau hatte ich dort vier Stunden Umsteigezeit und bin direkt in die Polonez Business Lounge gegangen. Dort konnte ich zwar mit einem Premium-Economy-Ticket nicht rein, aber nach Bezahlung ging’s doch. Die 30 Fr. für die Lounge hätte ich sonst woanders am Flughafen für Essen ausgegeben und in der Lounge war’s gratis.

Warschau, kurz vorm Einsteigen. Die Frisur hält.
Warschau, kurz vorm Einsteigen. Die Frisur hält.

Das Boarding war mit Priority und die Premium-Economy ist ihr Geld wert. Es gibt zwar keinen ganz flachen Liegesitz, aber doch einige Positionen, in denen es sich schlafend aushalten lässt. In der Kabine sind 21 Premium-Sitze (2-3-2, drei Reihen), wo ansonsten etwa 36 Normal-Eco-Sitze Platz hätten. Das Entertainment ist mau, aber wenn ich schlafen kann, brauche ich das auch nicht. Das Essen kam direkt aus der Business-Class und war dementsprechend gut. Am coolsten sind die Dreamliner-Fenster, die sich stufenlos verdunkeln lassen. Internet gab’s nicht, sonst hätte ich mal wieder eine ssh-Verbindung via Satellit aufgebaut wie 2012 auf dem Flug nach Australien mit Emirates. Schöne Latenzzeit für eine interaktive vim-Session 🙂

Ein Backroller in der LOT Premium Economy.
Ein Backroller in der LOT Premium Economy.

In Chicago ging’s überraschend schnell und freundlich durch die Immigration, dann eine lange Wartezeit auf das Gepäck und zack, schon hatte ich das Gepäck wieder zum Weiterflug abgegeben, hab das Terminal gewechselt und hatte etwa 300 Leute an der erneuten Sicherheitskontrolle vor mir. Keine Chance, hab mich direkt umbuchen lassen auf morgen früh.

Landeanflug auf Chicago O'Hare (ORD). Hier ist Rolls Royce sinnvoll.
Landeanflug auf Chicago O’Hare (ORD). Hier ist Rolls Royce sinnvoll.

Also ein Hotel gesucht, gebucht, mit dem Shuttle fahren lassen, einen Geocache um die Ecke gesucht und gefunden und morgen geht’s weiter. Temperature and Humidity in the Hundreds wird wohl fast zutreffen die nächsten Tage. Dafür ansonsten überall klimatisiert.