Bei der Finnlines-Fähre merkt man, dass das wohl eigentlich eher eine Fracht-/Güterfähre ist, im Gegensatz z.B. zu Oslo-Kiel, die eher Kreuzfahrtcharakter hat. Die Preise für Essen an Bord sind extrem hoch, 32 EUR fürs Frühstücksbuffet und 40 EUR fürs Mittags-/Nachmittags-/Abendbuffet waren sogar mir zu viel, nachdem ich schon 324 EUR für die Überfahrt mit Innenkabine gelöhnt hatte. Aber ich hatte mich im Supermarkt in Helsinki noch aufmunitioniert 🙂 Auch Wifi mit 1 EUR pro Stunde Fährfahrt wäre ziemlich teuer gewesen, da bin ich lieber ab und zu mal an Deck gegangen, habe die Aussicht angeschaut, diverse Roamingnachrichten bekommen und bin wieder in die Kabine abgetaucht. Jetzt hab ich die dritte und vierte Staffel von Friends auch durch, nachdem wir zum Jahreswechsel bei der fünften Staffel angefangen hatten. Lohnt sich, auch wenn man die Mechanismen der Gags irgendwann kennt und vorhersagen kann, was gleich passieren wird — wie bei Big Bang Theory auch. Ziemlich unschön ist die betriebswirtschaftliche Optimierung der Fähre dahingehend, dass 1.5h vor Ankunft das Personal durchkommt und die Bettwäsche und Handtücher in den Kabinen einsammelt. Klar, es ist dann 19:30 Uhr am zweiten Seetag, aber im Hotel kommt doch auch keiner um 08:30 Uhr durch, wenn man 10 Uhr auschecken muss.
Nordsjö Hamn Fährimpressionen morgens. Fährimpressionen, äh, später. Die einzige gekaufte Bordverpflegung 🙂
Was bei der Finnlines-Fähre allerdings auf beiden Terminalseiten total nervig ist, ist der Shuttlebus-Service für Passagiere ohne Fahrzeug. Beim Einsteigen kommt man vor den Fahrzeugpassagieren drauf, weil der Shuttlebus ja auch wieder rausfahren können muss, solange die Decks noch leer sind. Beim Aussteigen muss man erst warten, bis zwei oder drei Decks leer sind und der Shuttlebus reinfahren kann. So ein echtes Terminal mit Aussteigegate ist da viel angenehmer und man ist schneller draussen. Wir haben also nach dem Anlegen um 21 Uhr etwa 45min gewartet, bis der Bus uns abholen kam, vielleicht 30 Personen. Dann hat der uns ans Terminal gefahren, was insofern ziemlich passagierunfreundlich ist, als man da erstmal ewig sucht, wo der Ausgang ist (ich war nicht der einzige, der Beschriftungen gesucht hat) und dann steht man an einer Bushaltestelle (Skandinavienkai Terminal) mit wenig Verkehr. 21:44 sollte eine Verbindung fahren, Bus nach Surenfeld, dort dann in den Bus, der von Travemünde Strand bis nach Lübeck ZOB fährt. Ja cool, eigentlich. Ich war mit einem Niederländer unterwegs, der die Ostseerunde auf der Südseite der Ostsee gemacht hatte (“maximize distance to anything Russian”) und auch alles mit dem ÖV und Interrail macht. Wir standen dann also nach kurzer Fahrt in Surenfeld, der 30er-Bus nach Lübeck kam in Sicht — und fuhr vorbei, weil er komplett überfüllt war. Die Haltestelle ist im Nichts, dort fährt Ewigkeiten auch nichts mehr, das ist ziemlich frech. Aber wir hatten Optionen: 10min laufen nach Kücknitz, von dort mit dem Regionalexpress nach Lübeck. Dort stand nur, dass der RE in Richtung Strand Verspätung hätte, und als ich dann nachgeschaut habe, war klar, warum der Linienbus so voll war: der stündliche RE vom Strand nach Lübeck war ausgefallen. Es kam dann noch ein ebenso überfüllter Ersatzbus (äh hallo? Ein Gelenkbus für einen kompletten Doppelstockzug? Und sonst so?), der uns aber noch einsteigen liess. Nur dank Kartenmaterial wusste ich ungefähr, wo der lang fuhr, und mit einem überfüllten Niederflurbus auf der Autobahn ist auch mal ein Erlebnis, auf das ich eigentlich gern verzichtet hätte. Nach einer halben Stunde waren wir am Bahnhof Lübeck, von dort waren es noch 15min bis zum IBIS. 23 Uhr eingecheckt, ins Zimmer — Klimaanlage war aus oder kaputt, ganz grosses Kino. 20 EUR pro Stunde bezahlt und dann in ein Zimmer, bei dem man das Fenster nicht aufmachen will, weil davor eine sechsspurige Strasse verläuft (und kälter war’s draussen auch nicht).
07:09 Uhr Abfahrt ab Lübeck, es war um 06:30 Uhr alles noch tot und leer, alle Bäcker und Läden noch zu — man wird von Obdachlosen und Flaschensammlern belästigt, im Zug dann von einem aggressiven Junkie, der von der renitenten Zugbegleiterin hinauskomplimentiert wurde. Alles also wie immer und gerne verzichtbar. Im ICE ab Hamburg nach Zürich (wetten oder nicht?) ist die 1. Klasse schon zu mehr als der Hälfte mit Schweizern belegt, kurz vor Hannover schnarcht schon jemand, auch das wie immer 🙂 Daheim läuft die Klimaanlage und der Heizstab macht bald warmes Wasser. Es folgen drei Tage in Bern *gähn*, also 1’200 Bonus-Bahnkilometer nach den 5’300 Bahn- und 1’120 Schiffskilometern rund um die Ostsee.
Im Prinzip hätte ich das Faltvelo schon mitnehmen können, aber dort, wo ich länger war (Helsinki), war nun nicht unbedingt Velowetter und die Strassenbeläge mit sehr grobem Kopfsteinpflaster plus Regen und Tramschienen auch nicht zum gemütlichen Fahren geeignet. Für die Fähre wäre es wiederum sehr praktisch gewesen und dann natürlich für die Fahrt nach Lübeck viel stressfreier. Aber auch ohne Velo hab ich mich wohl genug bewegt und bin gut rumgekommen. Finnisch ist witzig, vor allem weil die zweite Landessprache Schwedisch ist und das mit Norwegischkenntnissen gut geht.