Heute war der inhaltlich vorerst letzte Tag auf der Generalagentur und ich hab den vom Kundenkontakt her aus meiner Sicht wichtigsten Job mal eine Weile gesehen: den Verkaufssupport. Das sind die Mitarbeiter, die den ganzen Tag lang Offerten ausstellen, Briefe und Emails verschicken, Telefonate entgegennehmen, weiterverbinden, Dossiers bearbeiten und den Verkaufsberatern zuarbeiten. Von allen Seiten werden sie mit Inhalten bombardiert und spannend ist es, wie sie von den Systemen unterstützt werden. Wenn ein Kunde anruft, dessen Daten schon im System sind, wird gleich die Kundenbeziehung angezeigt, es ist sofort alles ersichtlich, was in der Vergangenheit angefallen ist, es können schnell und halbwegs unkompliziert Offerten gerechnet und Vertragsanpassungen vorgenommen oder Schadenfälle entgegengenommen werden. Es lohnt sich also, seine Mobilnummer bei der Mobiliar zu hinterlegen, weil man sich die Zeit spart, im Schadenfall erst noch seine Daten anzugeben, bis der Sachbearbeiter das Dossier aufrufen kann. Ich persönlich fang aber solche Telefonate sowieso immer erst mit der Kundennummer an, bevor ich irgendwas erzähle 🙂
Ausserdem war ich noch mit einem Aussendienstler auf dem Strassenverkehrsamt St. Gallen, wo ich sonst nie hingekommen wäre, zumindest nicht um ein Fahrzeug einzulösen*. Für den Kunden ist das auch praktisch, er muss ja eh eine Haftpflicht abschliessen, wir erledigen das mit dem Kontrollschild für ihn und er muss nicht nach SG. Lustigerweise war ich jetzt innerhalb von einer Woche zweimal in demselben Parkhaus, wo letzte Woche jemand meinte, dass das sehr eng wäre. Ich meinte daraufhin nur lapidar: “das Parkhaus hat sich nicht geändert, die Autos werden nur immer grösser.” Für die anderen war das eine neue Erkenntnis :/
*Hochdeutsch: ein Fahrzeug zulassen auf der Zulassungsstelle
Ich glaub, es kommen nicht viel Leute von der Direktion auf die Generalagenturen, zumindest nicht in Wil. Die Kollegen waren alle ziemlich neugierig und aufgeschlossen und hatten viel Freude, mir ihre Arbeit zu zeigen.
Man hört anders auf Wettermeldungen: gestern bei der Fahrt zu einem Schaden kam im Radio eine Hagelwarnung für Herisau, AR und AI und prompt kamen heute Schadenmeldungen. Und stimmungsmässig interessant sind Leute, die anrufen, weil sie einen Schaden mit dem Auto erlitten haben, man sich eigentlich “freut”, dass sie keine Vollkasko haben, sich dann aber herausstellt, dass der Unfallgegner mit seiner Haftpflicht auch bei der Mobiliar ist.
Mit dem Begriff Neugeschäft hatte ich ein bisschen Mühe wie generell mit dem des Wachstums: das Geschäft kann ja nicht immer wachsen, wie üblich. Entweder verdrängen wir Mitbewerber (=Konkurrenten) vom Markt oder es kommt durch Zuwanderung/Bevölkerungszunahme, aber trotzdem ist irgendwann der Markt einfach mal gesättigt. Ein Teil des Neugeschäfts ist aber wirklich “neu”, weil es ja tatsächlich neue Kunden sind. Alte Kunden sterben, neue werden geboren, so könnte man das zusammenfassen. Aber wenn man immer Wachstum will, muss ja das Neugeschäft trotzdem noch die Abgänge überkompensieren.
Der Begriff der Sanierung ist ähnlich wie in der Wirtschaft, nur hier bezogen auf Versicherungsverträge. Es ist relativ klar, dass ein Kunde nicht beliebig viele Schäden für einen Vertrag produzieren kann, weil er dann nicht nur ein schlechter Kunde ist, sondern auch das Solidaritätsprinzip hinter der Versicherung stark strapaziert. Was genau die Kriterien für eine Sanierung eines Vertrags sind, kann ich natürlich nicht aufschreiben, aber was man dann in diesem Fall machen kann, ist auch wieder klar: den Kunden informieren und sensibilisieren, die Prämie anpassen, einen Selbstbehalt für diesen Schadentyp aufnehmen/erhöhen, bestimmte Deckungen ausschliessen oder im schlechtesten Fall den Vertrag kündigen. Im Schadenfall geht das ja beidseitig immer und sollte im Versicherungsvertragsgesetz geregelt und daher bei allen Versicherungen gleich sein.
Einige Muster für die Betrugsbekämpfung hab ich auch noch mit aufgenommen zur Prüfung. Seit ein paar Jahren haben wir eine Hausrat-Kasko, die selbstverursachte Schäden an Mobiltelefonen abdeckt (hatte ich auch mal). Und die mehrheitliche Vermutung (auch von Kunden 🙂 ) ist, dass seit ein paar Jahren Mobiltelefone quasi nie mehr gestohlen werden und auch keine Haftpflichtfälle mehr auftreten, sondern dass das über die Hausrat-Kasko massiv zugenommen hat. Das ist aber auch keine neue Erkenntnis, nur kann man sie jetzt anhand von Daten prüfen. Ob das so ist oder nicht, darf ich natürlich nicht sagen. Und das Argument bei der Betrugsbekämpfung ist immer unschlagbar: jeder ist natürlich selbst ein ehrlicher Kunde und hat daher ein Interesse, nicht für die anderen unehrlichen Kunden mit zu zahlen.
Weil wir die persönlichste Versicherung sind, sind die Mitarbeiter (zumindest die Berater/Aussendienstler) auch tatsächlich auf allen Kanälen erreichbar, auch wenn das gar nicht so offiziell vorgesehen ist. Chatkanäle, Sprachnachrichten, Fotos, alles ausserhalb der offiziellen Kommunikationswege. Das ist für den Kunden super, für den Berater je nach Person belastend, aber insgesamt kann es im Prinzip jeder Berater selbst regeln, wie er das handhabt. Zur persönlichsten Versicherung passt es zumindest sehr gut, und wenn man in Bütschwil mit dem Berater unterwegs ist, kennt er/ihn eh das halbe Dorf. Für den Kunden ist das perfekt und das ist das Wichtige.
Wovor auch wieder viele Mitarbeiter Angst haben im Hinblick auf die Digitalisierung, ist die Dunkelverarbeitung, also die komplett automatisierte Verarbeitung von Schadenfällen. Logisch braucht es dann bei vollständig gewinn- und aktionärsgesteuerten Versicherungen eventuell viel weniger Mitarbeiter und ich trage durch meine Arbeit vermutlich auch dazu bei, so etwas voranzutreiben. Aber die Diskussion ist dieselbe wie die mit den Migros-Kassierern, die den ganzen Tag Waren über den Scanner ziehen — die kann man auch ersetzen oder der Job fällt irgendwann einfach weg. Das heisst aber nicht, dass die Leute nicht mehr gebraucht werden, die können aus meiner Sicht anspruchsvollere Sachen machen. Heutzutage gibt es doch auch keine Schrankenwärter mehr oder das Fräulein vom Amt, das die Telefonverbindung herstellt. Da finden wir glaub schon eine genossenschaftliche Lösung 🙂
Die Vermutung, nachdem ich meinen sonstigen Arbeitsort und -alltag mit Fahrten nach Zürich und Bern geschildert hatte, dass ich ja in dieser Woche auf der Generalagentur viel später raus musste als sonst, war allerdings falsch. Jeden Tag gegen 08 Uhr im Büro, das hatte ich lange nicht mehr. Die Autonomie bei Arbeitszeit und Arbeitsort ist viel wert und die lässt sich auch nur schwer zurückdrehen.
Schlussendlich: die Leute auf der GA sind die, die meinen Lohn verdienen.