Letzte Woche nach der Chamonna Tuoi kam gestern und heute die Chamonna Lischana dran, oberhalb von Scuol. Vom Wasserabfüllort hätte ich die Hütte direkt sehen können, wenn ich hinaufgeschaut hätte (siehe allerletztes Foto unten). Laut Hüttenreservationssystem war ich allein eingebucht, es waren noch 23 von 24 Plätzen frei.
Die grosse Innbrücke, die zum TCS-Campingplatz führt, ist momentan wegen Bauarbeiten gesperrt, also bin ich wieder durchs Unterdorf gelaufen, um über die Holzbrücke auf die andere Flussseite zu kommen. Da war ich u.a. 2014 und 2018 mal unterwegs, ganz zu schweigen von den letzten paar Wochen und diversen Bahnhofsfototouren.
Ab der Innüberquerung ging es streng monoton steigend weiter bis zur Hütte, durch Blumenwiesen, mit Bienen, Pferden, allen möglichen Insekten…
…und viel Wasser.
Nach knapp drei gemütlichen Aufstiegsstunden für insgesamt 1300 Höhenmeter (die Vegetation wurde immer weniger, Murmeltiere alle schlafend/versteckt) sah ich plötzlich die Hütte.
Ein Tagesgast kam noch für einen Kaffee rauf, ansonsten waren nur die zwei Hüttenbetreuuer dort, die auch permanent da wohnen. Die Lischanahütte hat deutlich weniger Wasser als die Tuoi. Ich hab’s mir mit einem Apfelstrudel und einem Cappuccino bequem gemacht, währenddessen der sehr sympathische und genau richtig dimensionierte Hüttenhund Jayjay vorne auf dem “höchsten Balkon von Scuol” (Werbespruch) hin und her spazierte.
Mir wurde Zimmer 2 zugewiesen, von der Aufteilung her ist das noch stärker fragmentiert als auf der Tuoi. Derzeit werden nur 24 von 49 Bettplätzen belegt.
Znacht gab es genau wie “drüben” auch um 18:30 Uhr. Vier Gänge; und diesmal hab ich eine weitere Portion Pasta abgelehnt. Selber schuld, wenn sie mir vorher sagen, dass es Aprikosenknödel zum Dessert gibt. Die Betreuung war diesmal weniger herzlich, eher professionell gastfreundlich — was weder für die eine noch die andere Hütte irgendwie abwertend gemeint ist. Ich hab hier allein gegessen, nebenbei das Hüttenbuch durchgeblättert, was gelesen und genau dafür war ich ja hergekommen. Spannend ist es, im Hüttenbuch nur die Nachnamen der Leute zu lesen (>85% CH) und dann zu raten, wo sie in der Schweiz herkommen — unmittelbar nachprüfbar.
Den Sonnenuntergang hab ich noch angeschaut, im Tal war es schon lange dunkel, währenddessen wir noch bis ganz spät strahlende Sonne hatten. Die Solarpanels auf dem WC-Haus-Dach hatten davon aber nichts, die waren nach Süden ausgerichtet. Nachdem ich den Fensterladen noch festgeklemmt hatte, dass er nicht im Wind klappern konnte, war Ruhe und Nachtruhe.
Ab etwa 05:00 Uhr wurde es dämmerig/hell, es dauerte aber noch bis etwa 08:30 Uhr, bis die Sonne in der Nähe der Hütte ankam. Sehr angenehme Temperaturen, wenn ich nicht grad im Wind stand.
07 Uhr gab es Zmorge. Birchermüesli mit Rüebli drin ist auch interessant. Wo meine periodisch kurz stechenden Kopfschmerzen herkamen, war und ist mir noch unklar. Vielleicht bin ich doch höhenempfindlich, die Hütte liegt bei 2500m. Die Geräusche des morgens sich erwärmenden und abplatzenden Gerölls waren spannend.
Nach dem Frühstück hab ich weiter in Alex Capus “Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer” gelesen. Interessant, wenn die Handlungsorte u.a. Bottighofen TG und Stanford sowie Palo Alto enthalten und es in der Zeit etwa von 1925-1940 spielt. Stanford scheint damals genauso ausgesehen zu haben wie jetzt (Bottighofen wohl eh). Noch ein lustiges Zitat aus diesem Buch:
[…] Im Süden thront mächtig weiß und unverrückbar der Mont Blanc, Europas höchster Berg. Endlich mal etwas Großes in diesem Land, denkt Gilliéron, wobei ihm bekannt ist, dass der Mont Blanc genaugenommen in Frankreich steht, während die Schweiz sich mit dessen Anblick begnügt. Volkswirtschaftlich ist das eine kluge Entscheidung. Aus der Ferne ist so ein Berg schön anzusehen, die touristische Vermarktung des Postkartenidylls bringt gutes Geld. Aus der Nähe betrachtet hingegen ist er nur eine gefährliche und kostspielige Geröllhalde. […]
Gemütlich bin ich gegen 09:15 Uhr Richtung Abstieg gegangen und habe doch noch zahllose Murmeltiere gesehen, die plötzlich überall herumlagen und herumhuschten, sogar direkt auf dem Weg. Morgens hatten sie ja schon ein Pfeifkonzert veranstaltet.
Insgesamt kamen mir zehn aufsteigende Personen entgegen, ich hab zwischendurch noch einen Bachübergang aus Steinen gebaut und es war bedeutend wärmer, als ich unten angekommen war. Der Zug fuhr um 13:41 Uhr, vorher gab’s noch Kaffee, gemütliches Umziehen und dann lockere 3.5h Heimfahrt mit spannenden Podcasts. Das erste und letzte Beitragsbild sind direkt vor F.s Elternhaus in Scuol entstanden, mit ihr hatte ich auch noch ein paar Texte ausgetauscht. Und prompt läuft sie mir beim Umsteigen in Landquart über den Weg 🙂