Mein Brötchengeber ist Sponsor des gestrigen NZZ-Podiums zum Thema Glück gewesen und hat intern Tickets vergeben, die ich mir natürlich nicht entgehen lassen habe, zumal ich noch nie im Schauspielhaus Zürich war. Das ist auch nicht grösser als unsere Tonhalle in Wil.
Das Podium war eine Art moderierte Diskussion mit einem sehr weit gefassten Oberbegriff, zu Gast waren Katja Petrowskaja (ukrainische Literaturwissenschaftlerin, Schriftstellerin und Journalistin, lebt in Berlin), Christoph Blocher (den kennt man ja) und Adolf Muschg (Schriftsteller, den sollte man kennen). Moderiert wurde von Martin Meyer, dessen Name mir mir vermutlich als NZZ-Leser seit 2012 zwar etwas sagen sollte, aber wenn er das Feuilleton geleitet hat, erklärt das meine Nichtkenntnis zum Teil.
Die Diskussion war sehr kurzweilig, insbesondere weil öfter mal vom Thema abgekommen wurde. Anfangs stand bei den vier Leuten nur ein Weinglas auf einem der Tische, das Adolf Muschg dann auf aufmerksame Nachfrage von Katja an sie weitergereicht hat. Später wurden spontan noch vier (nicht drei) gefüllte Weingläser nachgeliefert, was für Erheiterung sorgte.
Irgendwann in der Diskussion hat Katja Petrowskaja den Moderator korrigiert und gemeint, dass ihre Vorgeschichte keine russische, sondern eine sowjetische sei. Dann ging es weiter, indem sie nochmal betont hat, dass sie seit 1999 in Berlin lebt, dort sehr viel Steuern zahlt (späterer ganz trockener Einwurf zur Steuerhöhe vom Moderator: “das ist bekannt”) und nicht mitbestimmen darf auf Kommunalebene. Sorry: wenn ihr soviel daran liegt, dann erfüllt sie sicher alle Voraussetzungen, sich einbürgern zu lassen, Deutschland würde sie wohl mit Handkuss nehmen. Dass sie schon sehr deutsch ist, zeigten auch ihre Kommentare und Sticheleien gegenüber Christoph Blocher und der SVP, die von typisch deutschem Unverständnis gegenüber der Schweiz und ihrem lange gewachsenen politischen System zeugen. Adolf Muschg und Christoph Blocher sind um Welten auseinander von ihren politischen Ansichten her, aber sie vertragen sich.
Die Diskussion mäandrierte weiter, wobei Christoph Blocher und Martin Meyer durchaus die lustigsten und verständlichsten Beiträge lieferten, wohingegen die zwei Schriftsteller teilweise philosophisch wurden und sich auf andere Schriftsteller beriefen, die ich nur dem Namen nach kannte.
Der Höhepunkt kam am Ende in der Diskussion, als offene Fragen aus dem Publikum zugelassen und gewünscht waren. Die allerletzte Frage kam von einem “deutschen Arbeitsmigranten”, der sich auch tatsächlich so vorgestellt hat. Dann fing er an, gegen Christoph Blocher und die SVP zu wettern, aber auf ziemlich niedrigem Niveau, was dem restlichen Publikum schon ziemlich auf die Nerven ging. Der hatte das politische System hier vermutlich genauso nicht verstanden und aus dem Ausland nur die Plakate mit den schwarzen Schafen und den Minaretten mitbekommen. Sei’s drum, Christoph Blocher ist das gewohnt und hat souverän seine Antworten dazu vom Stapel gelassen, wurde aber von einem anderen Zwischenrufer unterbrochen, der mit einer Schulklasse da war und sich bei der Moderation beschwert hat, dass die Frage nicht zum Thema passen würde und man sie deshalb verbieten sollte. Ich mag zwar die Einteilung des politischen Spektrums in links bis rechts gar nicht, aber das war in diesem Fall sicher ein Linker 🙂 Im Saal wurde es lauter und da zeigte sich (bei mir mit Gänsehaut) die Souveränität des Landes der Moderation, als Martin Meyer betonte, dass alle Fragen zugelassen würden und dass sich jeder seine Meinung selbst bilden solle. Das ging nahtlos in eine perfekt formulierte Abmoderation über, mit einer stimmlichen und visuellen Präsenz, die einfach nur beeindruckend war. Diese Diskussionskultur bei derart verschiedenen Teilnehmern muss erhalten bleiben, sonst landen wir irgendwann bei amerikanischen Verhältnissen, wo die Polizei freie Meinungsäusserung schützen muss.
Ich hoffe, der Podcast kommt hier noch online: (Podcast für Apple-Benutzer hier) — die Highlights aus meiner Sicht hab ich ja schon geschildert.
In Wil hab ich derweil die Wahlfeier der neuen Ständeratspräsidentin (und Wilerin) Karin Keller-Sutter verpasst:
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