Vor fast drei Jahren war ich in Fribourg, bei wunderschönem Spätherbstdezemberwetter. Heute bei eigentlich normalerem Herbstwetter erneut, um ein autonomes Shuttle (hier der deutsche Link: tpf.ch zum autonomen Shuttle) auszuprobieren. Es ist genau das gleiche Fahrzeug wie in Sion, halt nur nicht in Postautogelb.
Der Fahrbetrieb läuft laut Fahrplan auch nicht den ganzen Tag über, auch wenn es ab dem Fahrplanwechsel im Dezember ganz regulär eingetaktet sein soll. Als ich an der Haltestelle ankam, war das navette autonome sogar mit Pfeilen ausgeschildert. Es schien sich niemand dafür zu interessieren, es war niemand drin, es stand einfach nur an der Haltestelle herum. Ich freute mich also mal auf eine echte autonome Fahrt, betätigte den Türöffner und stieg ein. Von innen sah es genauso aus wie das Postauto-Shuttle in Sion. Ein Playstation-Controller lag herum, dazu noch diverse andere Hilfsgeräte, so dass es einen recht improvisierten Eindruck machte und nicht wie Regelbetrieb aussah.
Nach drei Minuten kam aus einem nebenstehenden Gebäude eine Frau, die sich als Opérateuse (korrekt französisch gedschändert) herausstellte, so wie ich das aus Sion auch schon kannte. Nach ein paar Minuten ging die Fahrt los, maximal 15km/h schnell, mit einigen Stops zwischendurch. Für die 1.25km wurden 10 Minuten Fahrzeit gebraucht, das ist nicht wesentlich schneller als zu laufen. Die Strecke war quasi autofrei, nur die ersten paar Meter in einem Quartier, danach auf abgesperrter Strecke, mit gelben Seitenlinien, ohne Laub, fast trocken; kurz, fast Idealbedingungen. Aber dass das Shuttle dermassen langsam fährt und so viele technische Kleinigkeiten wie z.B. die sich vor Abfahrt von einem Stop nochmal öffnenden Türen vorhanden sind, macht es noch nicht wirklich alltagstauglich. Die mit einer Fernbedienung aktivierbare Bedarfsampel, die den Wohngebietsverkehr stoppt, hat zumindest gut funktioniert.
Während der Fahrt sind die extrem ruckartigen Lenkbewegungen deutlich zu spüren, es ist wie früher beim Computer-Autorennen, als man nur entweder voll einschlagen oder geradeaus fahren konnte, quasi also eine binäre Lenkung. In einer Kurve musste man dann eben alle paar Streckenmeter einlenken, dann wieder ein Stück geradeaus, dann wieder einlenken, etc. Genauso fährt das Shuttle auch, oder zumindest fühlt es sich so an. Bei Gefahr oder irgendwelchen Situationen, die ich nicht richtig mitbekommen habe (hab ja kein LiDAR am Kopf), hat das Gefährt eine Vollbremsung hingelegt, auch diese absolut binär, also voll aufs Pedal gestiegen. Wer das Gefühl ausprobieren möchte, setze sich im Verkehrshaus in den Golf, der einen Frontalcrash aus 10km/h simuliert, das kommt dem recht nahe.
Nach zehn Minuten hatten wir die Endhaltestelle bzw. den Wendepunkt erreicht. Ein paar Minuten warten, meinte die Opérateuse, dann würde es wieder zurück gehen. Daraus wurde nichts, wir wurden von einer Remote-Session aus der Zentrale unterbrochen, gefolgt von einem Reboot und weiteren technischen Problemen. Immerhin weiss ich jetzt die Opérateusen-PIN, die man nach dem Reboot für das Bedienpanel eingeben muss. Spassig wurde es dann, als das Fahrzeug nicht autonom fahren wollte, die Begleiterin die Playstation-Fernbedienung genommen hat und dann mit dieser gefahren ist. Sie war damit sogar leicht schneller als im autonomen Modus.
Unter diesen eigentlich sehr guten Strassen- und Rahmenbedingungen sollte das Fahrzeug deutlich flüssiger und problemloser fahren. Entweder kann Navya das nicht oder sie sind einfach noch nicht so weit. In Sion hatte ich den Eindruck, dass es besser rollen würde, vor allem war da die Strecke noch länger und es waren Fussgänger und echter Mischverkehr zu bewältigen.
Der aufgezeichnete Track: https://www.alltrails.com/explore/recording/20171108-autonomous-shuttle-navya-fribourg-freiburg?u=m
Nebenbemerkung: bei meinen Telematik-Datenauswertungen aus der italienischen Autoversicherung hatte ich gestern einen Vortrag und irgendwie hatte ich das dringende Bedürfnis, meinem Vortrag voranzustellen, dass ich Velofahrer bin und daher viele Dinge ganz anders sehe. Ich konnte es mir grad noch verkneifen, zu sagen I don’t give a shit about cars, aber da ich vorher schon einen improvisierten Vortrag* zu meinem Silicon-Valley-Aufenthalt gehalten hatte und dort schon einige Bemerkungen gefallen waren, konnten sich die Leute diese Aussage denken.
*improvisiert, weil ich spontan englisches Powerpoint-Karaoke zu deutschen Vortragsfolien machen musste. Ich hasse ja synchronisierte Filmversionen. In den Vortragsfolien war ansonsten nichts drin, was ich nicht hier im Blog in der einen oder anderen Form schon geschrieben hätte.
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