Was eine kritische Masse ist, kann man sich ja vorstellen. Das gibt’s auch bei Velos in San Francisco: http://www.sfcriticalmass.org/ bzw. hier auf Deutsch zum Nachlesen. Da wollte ich hin, meine letzte CM war 2004 in Melbourne, das ist schon eine Weile her.
Start sollte 17:30 Uhr sein laut Webseite, also bin ich 14 Uhr in Palo Alto abgefahren, um mit einer durchschnittlichen Anzahl Ampelstops und Getränkepause bei Wendy’s pünktlich dort zu sein. Die Strecke war ähnlich wie bei der letzten Fahrt vor zwei Wochen. Nach 20km kam der Getränkestop bei Wendy’s mit dem gleichen extrem langsamen Kassenbediener, aber dem Getränkeautomat mit Self-Service, man zahlt nur für den Becher. Da hab ich natürlich für $1.80 den kleinsten Becher genommen (der immer noch fast einen halben Liter fasst) und zugelangt. Die nächsten zwei Kilometer bin ich einhändig gefahren mit dem Becher in der rechten Hand, geht super ohne zu kleckern.
Die Zeit und Reststrecke hatte ich auf dem Navi immer im Blick, es würde knapp werden nach meinen strategischen Berechnungen. Plötzlich konnte ich nur noch in eine Richtung schalten nach einem Ampelstop, das hatte mir gerade noch gefehlt. Im Kopf ging ich schon alle möglichen Varianten durch, was genau das Problem sein könnte, besorgte neue Schaltzüge, schickte die Rohloff zum Service und fluchte beinahe vor mich hin. 300m später rollerte ich zum Schattenstop, hatte zum Glück das Werkzeug und Handschuhe dabei. Das Problem war schnell gefunden: die externe Schaltbox hatte sich gelockert, die Schraube war zum Glück noch dran. Die hatte ich nur handfest angezogen und bei dem Geholper hier hat das wohl nicht gereicht. Also: Zangenschlüssel raus, die Rohloff bis ans Ende geschaltet, Schaltgriff bis ans Ende gedreht, Schaltbox aufgesetzt — natürlich, falschrum gedreht…
Ich kam mit dem Glockenschlag Punkt 17:30 am Justin Herman Plaza an. Dann stellte sich heraus, dass es erst etwa eine Stunde später losgehen sollte. Ein illustres Völkchen sammelte sich an und mit dem Liegevelo war ich recht unauffällig unterwegs, neben Hochrädern, einem Rad mit Seifenblasenmaschine, Chopper-Pushbikes und einem ziemlich zusammengewürfelten Haufen von Leuten. Einige waren komplett nackt unterwegs (ohne Helm!), was ich doch ziemlich kalt gefunden hätte. Also nicht nur wegen dem fehlenden Helm.
Etwa 18:30 Uhr war Abfahrt, insgesamt sind wir knapp 20km quer durch die Stadt gerollt, immer als unorganisierter Haufen, der die Strasse in Beschlag nimmt. Es war ziemlich kalt, die Luftfeuchtigkeit war bei knapp 100%, mein Spiegel beschlug, aber in Bewegung war alles ganz erträglich. Zwei Tunnels haben wir durchfahren, die sogar erkennen, wenn Velos im Tunnel sind und dann vor dem Tunnel entsprechende Warnschilder aufleuchten lassen. 50 Velos können mit Klingeln, Schreien, Tuten, Tröten und Boombox ganz schön Lärm machen im Tunnel. Auf mehreren Kreuzungen sind wir einfach im Kreis gefahren und haben damit die Kreuzungen blockiert, nicht immer, aber meist zur Freude der Autofahrer. Die Passanten haben uns zugejohlt, aber in SF muss man glaub ziemlich übertreiben, dass man wahrgenommen wird. An jeder zweiten Ecke roch es nach Gras und auch unter den Mitfahrern waren einige Kiffer. Aber auch unbekifft war es seltsam, im Tunnel mit 40km/h abwärts zu rollen, während einen rechts ein Hochrad und links ein BMX-Rad überholt. An der Oper hab ich mich abgeseilt.
Nach einem Futterstop bei Safeway (ein ganzes Huhn, wie üblich) folgte ab 21 Uhr eine Nachtfahrt über Strassen, die nach dem Verlassen von SF ziemlich leer waren. Entweder man fährt über Nebenstrassen, die keinen tollen Belag haben, oder man fährt auf den Hauptstrassen, die schön breit sind (3-spurig pro Richtung, jede Spur geschätzt 6-8m), aber dafür mit Ampeln alle zwei Blocks versehen sind. Es wurde immer dörflicher und ruhiger und gefiel mir immer besser gegen Ende — SF ist Grossstadt und das ist einfach nichts für mich. Aber für 150km und 700 Höhenmeter hat’s gereicht.
Bei der nächsten Critical Mass liege ich auch wieder, aber im Flieger obendrüber 🙂
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