Nachdem ich jetzt ein gutes Jahr hier bin, hab ich jetzt doch endlich mal persönlich gegen mich gerichtete Deutschenfeindlichkeit erlebt. Nach der Orchesterprobe am Montag spätabends habe ich mich auf dem Heimweg noch mit einem Zeitungsredakteur unterhalten, ich auf Hochdeutsch, er auf Schwizerdütsch. In ein paar Meter Entfernung am Wiler Bahnhof stand jedenfalls ein etwas abgebrochener Mann (Typ “Gesellschaftsverlierer”) herum, der dann plötzlich anfing, lautstark, penetrant und unflätig seinen Deutschenhass zu äussern. Mein Gesprächspartner war erstmal entsetzt “dass es so was noch gibt”. Viel witziger war allerdings ein Jugendlicher auf einer Sitzbank, der dazu laut und deutlich meinte “besser Deutsche als Jugos oder Türken”. Der Pöbler jedenfalls hatte zu mir persönlich nichts zu sagen, es waren nur allgemeine Ressentiments. Vor einem Jahr hätte mich das schon durchaus verschreckt, aber sowas ist echt die Minderheit und da fand ich die ganze Szene nur ausserordentlich komisch. Eigentlich hätte ich ihm die NZZ in meiner Tasche um die Ohren hauen und auch noch sagen können, dass ich inhaltlich der SVP am nächsten stehe, aber das mach ich erst, wenn ich’s zuverlässig auf Schwizerdütsch hinbekomme.
Der Bundeswahlleiter hat jetzt auch endlich das Antragsformular für die Bundestagswahl online gestellt. Mal sehen, wie schnell sich meine letzte HeimatMeldegemeinde bequemt, mir die Briefwahlunterlagen zukommen zu lassen. Wählbar ist ja sowieso keine deutsche Partei, ich kann immer nur für das kleinste Übel stimmen. Mich fragen auch viele, warum Merkel so beliebt ist, aber mir bleibt da immer nur zu konkretisieren, dass sie “vergleichsweise beliebt” sei. Wenn man sich die Alternativen anschaut, ist sie eben, um sie selbst zu zitieren, leider alternativlos. Ich schau halt einfach, was für die Schweiz gut ist, und stimme dann entsprechend ab.