Burgdorf-Bern, Liegevelotrio

So wie vor fast genau einem Jahr im Jura ging es dieses Jahr zu dritt mit Start in Burgdorf los: 75km von Burgdorf bis Bern auf Umwegen. Diesmal hatte ich die Streetmachine und mein normales Rad vom letzten Jahr existiert in dieser Zusammensetzung nicht mehr. Aber ich war trotzdem wieder der Langsamste und ausserdem der Liegevelo-Untrainierteste, darüberhinaus mit 20kg-Rad und verhältnismässig breiten Reifen doch etwas im Nachteil gegenüber den zwei deutlich leichteren Liegern mit Rennpneus. Eigentlich hätte die Tour noch viel länger gehen sollen, aber die sehr flott gefahrenen anfänglichen 35km, bei denen ich grad noch mithalten konnte, haben sich dann später deutlich bemerkbar gemacht und bei ersten Anzeichen von Wadenkrämpfen haben wir die Tour flach in Richtung Bern beendet. In der Ecke von Bümpliz war ich noch nie, obwohl ich ja eigentlich öfter dort bin, aber plötzlich standen wir vor der Mobiliar und ich wusste, wo wir sind.

Bequem ist es jedenfalls und die gelbe Tasche am Lowrider unterm Sitz hatte hinterher wegen Aufsetzens in Kurven ein Loch.

Here vs. Zero

Grad letzte Woche hatte ich von Marc Elsberg “Zero” gelesen. Darin geht es um eine nicht allzu ferne Zukunft bzw. schon existierende und aus Datenperspektive sehr realistische Weltsicht, in der die Menschen für ihre ständig produzierten Daten Geld bekommen, sich also digital prostituieren. Aus diesen Daten machen dann alle möglichen Anbieter Dienstleistungen, natürlich auch die Gamification des Alltags. Was muss ich aus Anbietersicht machen, um wertvoller zu werden? Wie “verbessere” ich meinen Datenwert? Wie werde ich ein “sehr guter Mensch”? Und ähnliches. Fitness- und Ernährungsapps gibt’s ja schon genügend, die das heutzutage machen. Im Buch geht das aber auch mal (im Sinne eines Experiments) schief, weil eine Person beim Anbieter dieser Dienste den Algorithmus so verändert hat, dass es in einer Untergruppe der Population (z.B. junge schwarze Männer) zu einer Häufung unnatürlicher Todesfälle kommt. Also wer entscheidet, was gutes und was schlechtes Verhalten ist? Wenn die Leute einem Algorithmus blind vertrauen, springen sie dann von einer Brücke? Vorzustellen ist es jedenfalls und die Beeinflussung kann ja auch viel subtiler ausfallen und über längere Zeit einwirken. Im Buch sind dafür viele schöne Beispiele aufgeführt.

An einem Eurapco-Treffen heute kam nach meinem Vortrag zu den Auswertungen von Telematik-Daten ein Vortrag eines Repräsentanten von HERE. Sie zielen darauf ab, die weltbesten und aktuellsten Karten und darauf aufbauende Dienste anzubieten. Im Hinblick auf Telematikdaten ist das beispielsweise auch, die Leute durch Anreize und Hinweise zu besseren Fahrern zu machen. Der Bogen zu Zero ist nicht allzugross: anstatt den Autofahrern zu signalisieren, dass hinter einer Kurve ein Hindernis kommt und sie stark bremsen sollen, könnte man durch Unterlassen dieser Benachrichtigung eventuell Schaden anrichten (wobei das kein aktives Zutun des Anbieters ist). Weitergedacht wäre dann ein zusätzliches Beschleunigen möglicherweise mit Sicherheit tödlich. Bei autonomen Fahrzeugen wird’s noch einfacher.

Was allerdings an HERE wirklich gut zu sein scheint: sie sind nicht gratis, d.h. im Unterschied zu Google bin nicht ich das Produkt, indem ich meine Daten abgebe und dafür Gratis-Dienste erhalte, sondern sie lizensieren ihre Dienste und man zahlt dafür. Daten haben sie bei HERE jedenfalls genügend und bekommen jetzt auch Live-Fahrzeugdaten von Audi, BMW und Daimler.

Pragelpass

In Vorbereitung einer längeren Liegeradtour mit vollem Gepäck bin ich bei dem angenehmen Herbstwetter unterwegs, um Steigungen abzufahren und zu sehen, wie lange ich wie viel Steigung auf dem Liegevelo fahren mag. Am Freitag war das spontan eine Tour von Wil Richtung Hörnli, wo es Steigungen so um die 12% gibt (Strecke vom Freitag auf gpsies, 55km, 700m Aufstieg).

Für heute hatte ich entweder eine Appenzell-Grossumrundung (Wil-Wattwil-Walensee-Rheintal-St.Gallen-Wil) eingeplant oder den Klausenpass. Die Entscheidung fiel auf technische Art: gestern hatte ich die Hinterradbremse entlüftet und neu befüllt, damit der Druckpunkt wieder da war, wo er hingehört. Dabei hab ich die Bremsscheibe eingeölt, so dass ich zwar einen klaren und knackigen Druckpunkt im Hebel hatte, aber beim Ziehen des Hebels trotzdem fast keine Bremswirkung eintrat. Das kann man mit Bremsenreiniger beheben, oder alternativ halt mit einer Passfahrt und entsprechender Erhitzung bei Talfahrt. Somit war die Passfahrt gesetzt.

Weil ich aber ausserdem zu doof war, den Pragelpass und den Klausenpass auseinanderzuhalten, bin ich irgendwo im Glarner Talkessel rechts hochgefahren, weil ich dachte, dass das schon der Klausenpass wäre. Eigentlich also falsch, aber andersherum auch wieder richtig, weil ich nämlich die richtige Strecke erwischt hatte, am Klöntalersee vorbei und dann via Passhöhe und Muotathal nach Schwyz und eventuell weiter. Die Strecke von heute auf gpsies (62km, Aufstieg >1400m).

Der 20km lange Aufstieg, unterbrochen von einem flachen Stück am Klöntalersee, war gut zu fahren, meist um die 7% Steigung, mit Spitzen bei 12%, obwohl ein Schild etwas anderes meinte. Vielleicht meinte das aber auch den Abstieg, denn der war deutlich steiler. Bis Richisau (kurz nach dem See) war normaler PW-Verkehr noch zugelassen, aber es war nicht wirklich verkehrsreich. Das Postauto-Horn war mehrmals gut zu hören.

Nach Richisau war dann Fahrverbot für motorisierte Fahrzeuge, trotzdem war die gesamte Strecke schön asphaltiert. Ich war im Liegetritt unterwegs, die Rennradfahrer meist im Wiegetritt. Ich finde meine Fahrweise bequemer. Auf Passhöhe war es sehr warm und sonnig, schon unterwegs musste ich öfter mal die Oberbekleidung der Sonneneinstrahlung anpassen. Langsamfahren ist an sich kein Problem — nur beim persönlichen Serpentinenfahren auf der gesamten Strassenbreite bin ich zweimal unaufhaltsam umgekippt. Das muss ich noch eleganter und gewollter aussehen lassen, zumindest wenn jemand in der Nähe ist, der es sieht. Ansonsten gilt beim Liegerad genauso wie beim Motorrad: im Zweifelsfall Gas geben, dann richtet sich die Fuhre auf.

Bergab geht es wie gewohnt extrem schnell, und nach etwa -200 Höhenmetern mit gezogener Hinterradbremse hatte selbige nicht nur einen Druckpunkt, sondern auch wieder Bremswirkung bis zum schnellen Blockieren des Hinterrades auf asphaltierter Strasse. Ab Muotathal wurde die Strasse wieder voller und bis Schwyz ging es recht schnell, so dass ich den Zug nach Zürich grad noch erwischt habe.

Das Handy wurde die ganze Zeit geladen, der Dynamo/Forumslader hat etwa 16Wh erzeugt und auch mit Licht war die Energiebilanz kein Problem, da bei 20km/h schon 7-9 Watt Leistung abrufbar sind.